Aus den Feuilletons

Warum betrunken Rad fahren ein Menschenrecht ist

Morgenstimmung im Berliner Tiergarten, November 2012
Man sollte öfter mal betrunken Fahrrad fahren, meint die "FAZ". Dann aber doch bitte abseits der Straßen, meinen wir. © picture alliance / dpa / Kay Nietfeld
Von Arno Orzessek · 03.02.2015
Die "FAZ" beschäftigt sich mit der Regulierungswut der EU und warum sich betrinken eine gute Gegenwehr ist, die "SZ" sinniert über Vergewaltigungswitze und die "Welt" erläutert, warum Computer die besseren Kunstkritiker sind. Oder doch nicht.
"Erhöht die Promillegrenze oder, besser noch, hebt sie endgültig auf! Betrunken Fahrrad zu fahren, ist ein Menschenrecht“,
...konstatiert die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
In der sich Hans Zippert für alkoholisiertes Velozipedistentum stark macht.
"Man hat uns die Zigarette, die Glühbirne und die D-Mark genommen, und demnächst müssen wir den zweischlitzigen Toaster beim Energiekommissar abliefern. Wie sollen wir denn aus dieser überreglementierten Gesellschaft fliehen? Das geht doch nur betrunken auf dem Fahrrad. Und was unterscheidet den Angehörigen der westlichen Wertegemeinschaft vom Islamisten? Die Fähigkeit, ja, der feste Wille, betrunken Fahrrad zu fahren!“
So Hans Zippert im Schnapsnasen-Tonfall. Falls Sie nun über die FAZ lachen, liebe Hörer, lachen Sie hoffentlich mit Behagen.
Uns aber interessiert im Folgenden das "Lachen an der Grenze des Unbehagens“, um das es in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG geht.
"In Amerika wird mit der gebotenen Ernsthaftigkeit diskutiert, ob man sich über sexuelle Gewalt lustig machen darf“,
berichtet Peter Richter, der eine Diskussionsrunde des Intellektuellen-Magazins "Cabinet" zum Thema "Ontologie des Rape Jokes“ – also des Vergewaltigungs-Witzes – besucht hat.
"Mit Verweis auf Freud wird schnell herausgearbeitet, dass ein Witz, nicht anders als die Vergewaltigung, dem Druckabbau dient, ein Vergewaltigungswitz aber den Hörer strukturell zum Komplizen des Vergewaltigers macht. Diese Art von Witz funktioniere im Prinzip genauso wie die Vergewaltigung, die er feiert, als Hinwegsetzung über fehlendes Einverständnis. Aber es war ausgerechnet die Poetin in dieser Runde, es war Vanessa Place, die das wiederum mit ihrer kassandrahaften Melancholie aus dem Akademischen ins Leben zurückwendete: Wenn jeder Witz eine Vergewaltigung ist, dann sei am Ende auch jede Vergewaltigung ein Witz“,
heißt es in der SZ.
Um beim Thema zu bleiben und es doch zu wechseln: Der TAGESZEITUNG ist "Der Witz mit dem Verkehr“ aufgefallen.
Und zwar in Oberhausen, wo die Stadtwerke per Sex-Video für den Ausbau der Linie 105 werben - verkehrt wird, na klar, in einer Straßenbahn. Stadtwerklicherseits glaubt man, junge Leute seien anders nicht mehr zu erreichen.
Und siehe da! Laut TAZ haben sich das Video binnen sechs Tagen 41200 Leute angesehen. Wir vermuten, das ist im eher vernachlässigten Genre 'Stadtwerke-Film‘ ein Rekord.
Mehr feuilletonistische Aufmerksamkeit ernten in der Regel Literatur-Verfilmungen. Und nun hat der Regisseur Andreas Dresen den Wende-Roman "Als wir träumten“ von Clemens Meyer verfilmt.
"Die Bilder der Wende, auch die der Montagsdemos in Leipzig, sind vollkommen abgenutzt", erklärt Dresen in der BERLINER ZEITUNG. "Als ich mich in den Roman von Clemens verliebt habe, war die Mikrowellen-Episode darin mein absoluter Favorit. Plötzlich tauchten in allen ostdeutschen Haushalten neue Dinge auf. Die Kinder finden Pornohefte im Schlafzimmer der Eltern. Und in der Küche steht diese Mikrowelle, da legen sie dann ein rohes Ei hinein, um das Gerät auszuprobieren. All das genügt, um die Ära zu charakterisieren. Da brauche ich nicht tausend Statisten, die 'Wir sind das Volk‘ rufen.“
Andreas Dresens "Als wir träumten“ nach Clemens Meyer läuft auf der Berlinale – und kritisieren werden den Film, wie üblich, Kritiker aus Fleisch und Blut.
Dass aber Bilder, zumindest unbewegte, auch maschinell kritisiert werden können, das berichtet die Tageszeitung DIE WELT.
Sie titelt sogar: "Computer sind die besseren Kunstkritiker“.
Was so indessen gar nicht stimmt, wie aus Swantje Karichs Artikel hervorgeht. Die WELT-Autorin erzählt von der Begegnung eines ästhetisch aufgeweckten Computers, dem die Universität Toronto die Algorithmen eingebläut hat, mit Gemälden der Londoner Tate Modern.
"Wenn Zuschreibungen möglich, aber nicht eindeutig sind, wird es heikel. Mit einem Werk von Menashe Kadishman mit dem Titel 'Sheep B‘ werden aus den Schafen Elefanten“, ...
...hält Swantje Karich fest.
Soweit für heute, liebe Hörer. Wir hoffen, Ihnen fehlt es nie an dem, was in der SZ Überschrift wurde – nämlich einer "Alternative zur Alternativlosigkeit“.