Aus den Feuilletons

Vergoldete Konsonanten

Die italienische Mezzo-Sopranistin Cecilia Bartoli
Suchte nach dem besonderen Klang. Cecilia Bartoli wurde am russischen Zarenhof fündig. © AFP / Dieter Nagl
Von Arno Orzessek  · 14.10.2014
Die "FAZ" gerät in Verzückung über das neue Album der italienischen Sängerin Cecilia Bartoli. Sie hat vergessene Schätzchen der Operngeschichte gehoben, wie sie am russischen Zarenhof gespielt wurden.
Beginnen wir mit schönen Tönen:
"Ihre Stimme vergoldet sogar russische Konsonantenklumpen",
schwärmt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG von Cecilia Bartoli.
Die italienische Mezzo-Sopranistin hat in einem Petersburger Archiv vergessene Schätzchen der Operngeschichte gehoben und bringt auf einem neuen Album zehn Arien zu Gehör, die zuletzt im 18. Jahrhundert Jahren am Zarenhof erklungen waren.
FAZ-Autorin Eleonore Büning kleidet ihre Verzückung in entzückende Worte.
"Gleich in der ersten Arie, 'Vado a morir', gibt es Gelegenheit, wieder einzutauchen in das köstliche Bartoli-Pianissimo. Keine sonst kultiviert diese Kunst, mit halber Stimme zu singen, mezza voce, so wie sie. Kurz vor Schluss durchbricht Bartoli das gestanzte Schema und lässt zwei kurze Vokalisen aufblühen, wunderfeine, betörend schillernde Fioriturenbögen. Und die nächste Nummer bietet dann endlich Abschussrampen für ein zünftiges Bartolisches Koloraturenfeuerwerk."
Klingt echt schön, oder?
Das schwierige Verhältnis von Schönheit und Kunst
Nur ist das so eine Sache mit der Schönheit – sie ist als ästhetische Kategorie ganz schön out, wie die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG unter dem Titel "Verpönte Schönheit" betont.
Michael Stallknecht stellt die Vortragsreihe "Was ist noch schön an den Künsten?" der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München vor und behauptet:
"Nach geltender Nomenklatur müsste die Antwort lauten: Gar nichts ist schön an den Künsten. Es ist die Warenwelt, die heute permanent von der Schönheit kündet – im Kunstdiskurs hingegen sprechen von dem einstigen Zentralbegriff der abendländischen Ästhetik allenfalls noch die Laien."
Auf selbiger SZ-Seite fasst Christopher Schmidt den Vortrag über die Schönheit des Gedichts zusammen, den Peter von Matt zum Auftakt der Schönheitsreihe gehalten hat ...
Was wir aber auf sich beruhen lassen, denn Schmidts Resümee lautet leise enttäuscht:
"Trotz federnder Emphase und rhetorischer Wucht bleiben viele Fragen offen."

Der Franzose Tahar Rahim in einer Szene des Films "The Cut". Der Film des Regisseurs Fatih Akin ist der deutsche Beitrag im Wettbewerb der Filmfestspiele von Venedig.
Der Franzose Tahar Rahim in einer Szene des Films "The Cut" des Regisseurs Fatih Akin© picture alliance / dpa
Schlechte Kritiken für Fatih Akins Film "The Cut"
Um bei Enttäuschungen zu bleiben:
Fatih Akins Film-Epos "The Cut" über den Völkermord an den Armeniern – im Mittelpunkt steht der überlebende Flüchtling Nazaret – überzeugt die Kritiker nicht:
"Was unter dem Strich bleibt, ist ein Film ohne jede politische Brisanz, aber auch ohne dramatische Finesse", beklagt Andreas Busche in der TAGESZEITUNG.
In der FAZ fragt sich Andreas Kilb, warum das so ist:
"Vielleicht war es der Ehrgeiz, sich selbst zu überbieten, der Fatih Akin mit 'The Cut' in eine Sackgasse getrieben hat. 'Old School' wolle sein Film sein, hat Akin erklärt, aber von den Tugenden der alten Schule ist ihm vielleicht doch die wichtigste entgangen, die Kunst, in einer Glasscherbe die Welt zu spiegeln. Einmal sieht Nazaret in einem Hinterhof unter Tränen eine Vorführung von Charlie Chaplins 'The Kid'. Ein Mann und ein Junge. Das wäre eine Geschichte gewesen. Auch über den Völkermord. Fatih Akin hat sie nicht erzählt."
Wie gegen den IS vorgehen
Unweit von den alten Völkermord-Orten tobt heute ein neuer Krieg, ausgelöst von der Terror-Organisation Islamischer Staat.
"Aus diesem Krieg wird kein wunderbarer Friede", blickt der Philosoph Michael Bongardt in der BERLINER ZEITUNG in die Zukunft und hält den Plan des Westens, die IS-Terroristen einfach umzubringen, für bedenklich:
"Es ist für mich erschreckend, dass auch in Deutschland in den aktuellen Debatten militärischen Interventionen immer schneller zugestimmt wird. Dass sie nach wie vor ethisch fragwürdig sind, scheint gar nicht mehr bewusst zu sein. Es bleibt (rätselhaft), wo sich die sogenannte westliche Wertegemeinschaft zum Eingreifen bemüßigt fühlt und wo nicht."
America first
Apropos westliche Wertegemeinschaft!
In der FAZ erklärt Ex-Pirat Christopher Lauer, wie sich Google-Verwaltungschef Eric Schmidt und seine Kollegen aus dem Silicon Valley die digitale Zukunft vorstellen.
"Die Karten liegen auf dem Tisch. America first. Dem Silicon Valley geht es um die Vorherrschaft im Internet und dabei verbittet es sich jegliche staatliche Einmischung."
Nun denn, liebe Hörer. Wir verabschieden uns mit einer Parole, die in der SZ Überschrift wurde. Sie lautet:
"Augen auf und durch."
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