Aus den Feuilletons

Ukraine braucht "mehr als bloß Reformen"

Von Adelheid Wedel · 23.02.2014
Die Kulturpresseschau beschäftigt sich unter anderem mit einem Berliner Kongress über das Erzählen von Krieg, mit der Lage in der Ukraine und mit Serge Dorny, der nun doch nicht an die Dresdner Staatsoper wechseln darf.
"Wie erzählt man heute vom Krieg?" Diese Frage beschäftigte einen Kongress, der am Wochenende von dem Historiker Valentin Groebner und der Journalistin Carolin Emcke im Berliner Haus der Kulturen der Welt veranstaltet wurde. In seinem Bericht in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG hebt Felix Stephan hervor, dass die Bedeutung ausländischer Kriegsreporter schwindet, "nicht nur, weil die sozialen Netzwerke als Nachrichtenkanäle immer wichtiger werden, sondern auch, weil es schlicht immer weniger von ihnen gibt. Seitdem die Anzeigenkunden ins Internet abwandern und die Zeitungsbudgets schrumpfen, sind teure Reportereinsätze kaum mehr finanzierbar".
Nichtregierungsorganisationen wie Human Rights Watch, Unicef oder Ärzte ohne Grenzen übernehmen oft die vakante Rolle , sie "sprechen dann immer im Namen der Opfer … es gibt aber niemanden mehr, der die Situation analysiert". Immer wieder komme es vor, "dass die Ärzte ohne Grenzen freie Kriegsfotografen in ihren Autos mitnehmen, weil sie es sich heute nicht mehr leisten können, an die Frontlinie zu fahren. Pulitzerpreisträger müssen bei den NGO’s um eine Mitfahrgelegenheit bitten, wenn sie ihrer Arbeit nachgehen wollen". Mladen Gladic erzählt in seinem Bericht in der Tageszeitung DIE WELT vor allem von den Schwierigkeiten der Autoren, ihre Texte über Krieg gedruckt zu bekommen. Sein Fazit: "Es ist das Verdienst Groebners und seiner Mitkuratorin Carolin Emcke, durch Auswahl der Themen und richtige Gäste einen Blick auf das Erzählen des Kriegs zu richten, der nicht beim Beklagen stehen bleibt."
Krieg und Literatur ist auch das Thema einer Seite in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. Das Blatt berichtet vom "österreichischen Schriftsteller Robert Musil, der am Ersten Weltkrieg als Reserveoffizier an der Südfront gegen Italien teilnahm. Die Kämpfe sind als existentielle Erfahrung in seine Erzählungen eingeflossen, daneben führte er Tagebuch. Ein seltener Bildfund gibt" nun erstmals "detaillierten Aufschluss über seine Lebensumstände".
In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG kommentiert Mykola Rjabtschuk das Geschehen in der Ukraine. "Mit Revolutionen haben die Ukrainer schon zweimal schlechte Erfahrungen gemacht", meint der in Kiew lebende Schriftsteller. "Nun bedarf es mehr als bloß Reformen. Ein Hausputz ist die wichtigste Aufgabe der neuen ukrainischen Regierung", denn in weniger als vier Jahren "zerstörten der Präsident und sein Gefolge alle Überreste einer unabhängigen Justiz, privatisierten Polizei und Sicherheitsdienste und monopolisierten erfolgreich die ukrainische Politik und Wirtschaft in den Händen der "Familie" des Präsidenten. Jetzt stehen tief greifende institutionelle Reformen und die Bekämpfung der wuchernden Korruption neben alltäglichen Problemen an. Rjabtschuk zählt auf: das Bezahlen der in- und ausländischen Schulden, die Sorge um die Ordnung und das Verhindern einer Lynchjustiz an den verhassten Mitgliedern des alten Regimes. Seit diesem Freitag kracht es an der Dresdner Semperoper. Kunstministerin Sabine von Schorlemer hatte dem Intendanten Serge Dorny kurzfristig gekündigt.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG veröffentlicht nun ein Interview sowohl mit Dorny als auch dem Chef der Staatskapelle Christian Thielemann. Der bestätigt, "dass auch er von dieser Explosion überrascht war. Die Staatskapelle und ich haben uns wahnsinnig auf Dorny gefreut. Ich habe mich mit ihm mehrfach getroffen, habe ihm von der Geschichte der Kapelle erzählt und von der Tradition, dass sie ihre Konzerte autonom organisiert. Die Kompetenzen eines Kapellmeisters der Staatskapelle überlappen sich nicht mal besonders mit denen des Intendanten der Semperoper". Dorny sagt in derselben Zeitung: "Was dort geschehen ist, grenzt an Rufmord. Ich stehe nicht mehr zur Verfügung." Nun muss eine Interimslösung her, zumal die Pläne bereits bis zum Jahr 2019 vorliegen. "Ein Traum ist zerplatzt", schreibt Eleonore Büning, die die Interviews führte. Sie hofft, "dass die Scherben jetzt nicht noch Thielemann und seiner Staatskapelle auf die Füße fallen".