Aus den Feuilletons

"Trump Studies" im postfaktischen Zeitalter

Der gewählte US-Präsident Donald Trump
Zertifizierte Trumpologen sollen erklären, warum das vermeintlich gesicherte Wissen über die politische Kultur der USA nicht mehr zu stimmen scheint © imago stock&people, 73468783
Von Hans von Trotha · 06.12.2016
"Die Fakten über das postfaktische Zeitalter sind bei Weitem noch nicht etabliert", schreibt ein Politik-Professor in der "SZ". Um hier mehr Wissen zu bekommen, schlägt er ein neues Fach vor: "Trump Studies". Auch andere Feuilletons lasssen Trumpologen von US-Unis zu Wort kommen.
Da haben wir's: "Das postfaktische Zeitalter ist auch nur eine gefühlte Wahrheit." So nimmt uns Jan-Werner Müller, Professor für Politische Theorie in Princeton, auch noch das Letzte, was wir grad so hatten. Nicht mal mehr postfaktisch ist unser Zeitalter, was denn dann? Müller schlägt ein neues Fach vor, um das zu klären: "Trump Studies".
"Sobald es zertifizierte Trumpologen gäbe", schreibt er, "sollten sie vor allem erklären, warum all das, was als gesichertes Wissen über die politische Kultur der USA galt, plötzlich nicht mehr zu stimmen scheint."
"Gesichertes Wissen" – meint er da etwa doch wieder Fakten? Wohl eher nicht. "Die Fakten", so Müller vielmehr, "über das postfaktische Zeitalter sind bei Weitem noch nicht etabliert."
Wie auch, wenn's da postfaktisch zugeht?
"Wir haben zwar", so Müller weiter, "das Gefühl, einen neuen Strukturwandel der Öffentlichkeit zu durchleben, dem die Wahrheit zum Opfer fallen könnte, aber das ist selber eher eine 'gefühlte Wahrheit'."
Also nicht postfaktisch, sondern gefühlt faktisch? – Gar nicht faktisch, meint Trumpologe Nummer eins Jan-Werner Müller:
"Trumps Erfolg hatte weniger mit der Herrschaft des Postfaktischen zu tun als mit seiner absolut rücksichtslosen (und oft rassistischen) Identitätspolitik. "Und: "Fakten sind für Identifikationen nicht irrelevant, aber oft zweitrangig."
Offenbar sind im deutschen Feuilleton alle zitierbaren Post-Fakten-Prä-Trump-Deutungsmuster durch, weshalb jetzt Autoren an amerikanischen Unis akquiriert werden. Trumpologe Nummer zwei heißt Ulrich Gumbrecht, lehrt Literatur in Stanford und analysiert in der NZZ die literarisch hübsche Alliteration "Trumps Traum".
"Donald Trumps Wähler haben seinen Reden das Versprechen entnommen, ihnen das gute einfache Leben im Rahmen nationaler Größe zurückzugeben. In der Komplexität, Kälte und Intensität des Daseins unserer Gegenwart ist die Faszination solcher Träume durchaus plausibel. Der Preis für ihre bittersüße Wärme liegt in der Unfähigkeit der Träumenden, sich ein gutes wirkliches Leben in Gegenwart derer vorzustellen, die nicht zu ihrem Traum gehören."

Weder Fakten noch Emotionen, sondern Ideologie

Elisabeth Wehling gibt Trumpologin Nummer drei. Sie forscht – da hätte man jetzt fast schon drauf kommen können, in Berkely und lässt sich in der TAZ mit der These zitieren:
"Im Vergleich zu Hillary Clinton hat er sprachlich den besseren Wahlkampf gemacht. Er hat eine ganz klare erzkonservative Werte-Kampagne gefahren, während Clinton vornehmlich von Fakten und Programmen gesprochen hat."
Jetzt lasst die armen Fakten halt mal in Frieden Fakten sein! Gerade das aber will Frau Wehling nicht.
"Wir wissen", sagt sie "aus der politischen Verhaltensforschung, dass Menschen Werte wählen." Bei Wehling gibt es anstelle der Fakten nicht einmal gefühlte Wahrheiten, auch keinen Traum, sondern nur noch "Frames". Sie hat nämlich ein Buch mit dem Titel "Politisches Framing: Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik macht" herausgebracht. In der TAZ können wir ihr zusehen, wie sie uns ihre Theorie einredet und daraus "Frames" macht.
"Frames sind gedankliche Deutungsrahmen, innerhalb derer wir Fakten verarbeiten. Im Jahr 2015 sind eine Million Geflüchtete nach Deutschland gekommen. Das kann man beispielsweise als Bedrohung oder Chance einordnen. Die Fakten haben ja nie eine Bedeutung an und für sich. Seinen eigenen Blickwinkel auf die Welt zu kommunizieren, das ist, kurz gefasst, Framing."
Da also sind die Fakten hin verschwunden: in Frau Wehlings "Frames". – "Man kann", sagt sie, "also nicht sagen: Jetzt ist alles postfaktisch – es geht nur noch um Emotionen. Das Tragende, das haben wir herausgefunden, sind weder Fakten noch Emotionen, sondern es ist die Ideologie."
Auch das noch. Also, wenn ich die Wahl habe zwischen der "gefühlten Wahrheit" aus Princeton und der gerahmten Ideologie aus Berkeley flüchte ich erstmal in den Traum aus Stanford. Und hoffe, dass unseren Feuilletonisten selbst bald wieder etwas einfällt. Tipp: Es muss gar nicht unbedingt noch etwas über Trump sein.
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