Aus den Feuilletons

Trauer und Totalausfälle

Von Tobias Wenzel · 13.07.2014
Die Zeitungen trauern um den Jazz-Bassisten Charlie Haden, der mit jeder Note um sein Leben gespielt habe, wie die "Welt" meint. Der "Spiegel" lässt sich vom russischen Politologen Alexander Dugin erklären, warum jeder "psychisch krank" sei, der Putin kritisiere.
"Jeder kann sich eine bestellen, sie sind meistens so groß wie ferngesteuerte Modellflugzeuge und segeln durch Vorgärten und filmen die Nachbarn beim Sex. Sie ermöglichen in dieser Form auch Aufklärung über Hungersnöte und Seuchen und machen humanitäre Hilfe möglich, und Amazon will damit in Zukunft vielleicht Pakete zustellen",
schreibt Georg Diez im neuen SPIEGEL über die "Drohne in ihrer friedlichen Variante".
Auch wenn die kopulierenden Nachbarn die Überwachung durchaus als Aggression verstehen können, sofern sie nicht exhibitionistisch veranlagt sind. Wobei selbst solch ein Eingriff in die Privatsphäre friedlich anmutet im Vergleich zu den todbringenden Drohnen, um die es Diez geht. "Gott im Himmel" hat er seinen Artikel genannt, in Anspielung auf die zehn Kameras, die in den neuesten Drohnen eingebaut sind und zu jeder Zeit die Fläche einer ganzen Kleinstadt im Blick haben. Bei diesem allmächtigen Spähwahn fällt Diez nur noch die NSA ein, die er deshalb den "Zwilling der Drohne" nennt.
Circa 3000 Menschen seien allein in Pakistan im sogenannten Kampf gegen den Terrorismus durch Drohnenangriffe getötet worden. Ein Fünftel davon Zivilisten. Die kontraproduktive Folge in der Bevölkerung:
"Wut und Kränkung, die zu immer neuem Terror führen, weil al-Qaida auf dieser Grundlage sehr viel leichter Krieger rekrutieren kann."
Diez zitiert schließlich den Journalisten Mark Bowden mit den Worten:
"Drohnen töten keine Menschen. Menschen töten Menschen."
Feuilletons gedenken Charlie Hadens
Der Tod bestimmt überhaupt die Kulturseiten vom Montag. Fast alle Feuilletons gedenken des verstorbenen Kontrabassisten, des Jazz-Musikers Charlie Haden. "Der sanfte Rebell" war er für die NZZ, ein "Oktoberrevolutionär" für die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG.
"Mit jeder Note spielte er um sein Leben, jedes Mal", heißt es in der WELT. Dort geht Josef Engels auf die Kinderlähmung ein, die Haden als Jungen zur Musik getrieben und letztlich zum großen Bassisten gemacht habe.
"So eindrücklich, so reduziert war sein Spiel, dass das Publikum förmlich in seinen Bass kriechen wollte", schreibt Engels, erwähnt aber auch die engagierte Seite des US-amerikanischen Musikers, der für ein politisches Lied sogar einmal kurz im Gefängnis saß.
Dugin, der radikale Ideologe
"Töten, töten, töten" solle man die Ukrainer, die im Zuge der Auseinandersetzung mit Russland brutale Morde begangen hätten. Diese Aussage wiederholt Alexander Dugin im Interview mit Christian Neef vom SPIEGEL. Neef nennt den Russen einen Philosophen, wobei sich im Laufe des Gesprächs zeigt, dass diese Bezeichnung eine Beleidigung all jener Menschen ist, die ernsthaft und unparteiisch Philosophie betreiben.
Dugins Denken erweist sich nämlich als radikal ideologisch motiviert. Jeder Westler sei ein "kultureller Rassist", behauptet er. Der intolerante Westen akzeptiere nicht, dass unterschiedliche Kulturen unterschiedliche Werte hätten, versuche stattdessen, seine eigenen Werte Russland aufzuzwingen.
Dabei erweist sich in dem Interview nur einer als wirklich intolerant: Alexander Dugin selbst. Kritische Fragen von Christian Neef quittiert er mit Sarkasmus oder unterstellt ihm, er beurteile die Lage in der Ukraine absichtlich zuungunsten Russlands, weil das der SPIEGEL so von ihm verlange. Jeden Gegner Putins nennt Dugin "psychisch krank". Zitat:
"Aber psychisch Kranke haben ein Recht auf Heilung".
Dugin, der den russischen Parlamentspräsidenten berät, ist kürzlich allerdings der Lehrstuhl in Moskau entzogen worden. Seine Forderung, in "Neurussland" (er meint die Ostukraine) einzumarschieren, hatte den Protest seiner Universitätskollegen zur Folge. Dugin gibt zu, kein Gehör bei etablierten westlichen Philosophen wie Bernard-Henri Lévy oder Jürgen Habermas zu finden. Die seien halt Teil des bösen Systems.
"Aber das sind wenige", sagt er.
"Ich rede mit Taxifahrern, bayerischen Bauern, rumänischen Studenten, französischen Zimmermädchen."
Die können einem wirklich leid tun.