Aus den Feuilletons

Theaterbeben in Wien

Der Direktor des Burgtheaters, Matthias Hartmann, während einer Pressekonferenz
Matthias Hartmann hat die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Noch mehr sorgen müssen sich vermutlich diejenigen, die die Finanzkrise jetzt ausbaden müssen. © dpa picture alliance/ Herbert Pfarrhofer
Von Tobias Wenzel · 11.03.2014
"Tagesspiegel" und "Frankfurter Allgemeine Zeitung" begrüßen die Entlassung des Burgtheaterdirektors Matthias Hartmann. Die "tageszeitung" schreibt über ein Heidegger-Interview aus vergangenen Zeiten. Und die "Süddeutsche" rekapituliert das Digitalfestival SXSW in Austin, Texas.
Ein "mitteleuropäisches Theaterbeben", so nennt Peter von Becker vom TAGESSPIEGEL die Entlassung des Burgtheaterdirektors. "Matthias Hartmann stürzt in tiefem Bogen aus egomanen Höhen", schreibt Gerhard Stadelmaier in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG:
"Am Ende ist ihm alles wurscht - mit Ausnahme von sich selbst. [ ... ] Den Burgtheaterdirektor unterscheidet vom Papst ja nur, dass seine Heiligkeit auf Lebenszeit gewählt ist (was aber seit Benedikts [ ... ] Rücktritt auch nicht mehr gilt). Ansonsten wohnt dem Wiener Theaterhirtenamt ja durchaus eine Aura von wenn nicht Unfehlbarkeit so doch Unantastbarkeit inne. Umso gewaltiger der Skandal, der diesen Schritt grundiert. Die Wiener Kulturpolitik macht reinen Tisch. Wobei Hartmann voll in der Verantwortung als Tischler steht."
Hartmann habe bei Fehlern immer nur mit dem Finger auf andere gezeigt: "Dabei ist dem Egomanen Hartmann, der jetzt so tief fällt, dass man sich fragen mag, wer von ihm überhaupt noch ein Gebrauchttheater kaufen würde, der Hauptfehler aller Ego-Künstler widerfahren: auch dann noch aus dem Vollen zu schöpfen, wenn die Leere bereits gähnt."
Die Folge für das Burgtheater: ein millionenschwerer Schuldenberg, unter anderem dadurch verursacht, dass Belege gefälscht wurden, und zwar, so Stadelmaier, auch "mit den Unterschriften von Toten (Schlingensief) versehen".
Über die Toten soll man nur Gutes sagen. Es fällt nicht allen leicht, das antike Sprichwort auf Martin Heidegger anzuwenden. 1966 traf das ehemalige NSDAP-Mitglied Heidegger beim SPIEGEL auf den ehemaligen SS-Hauptsturmführer Georg Wolff, den Leiter des Ressorts Geisteswissenschaften. Wolff und Augstein hatten Heidegger zu einem langen Interview überredet. Der Philosoph hatte allerdings ausgehandelt, das Gespräch dürfe erst nach seinem Tode veröffentlicht werden.
"Heidegger hatte die totale Kontrolle über das Interview", erzählt Medienforscher Lutz Hachmeister René Martens von der TAZ. Hachmeister hat in seinem Buch "Heideggers Testament" dieses kuriose und fragwürdige Interview mit Hilfe der erhaltenen Tonbandaufnahme analysiert. Vermutlich aus Angst, Heidegger könne das Interview abbrechen, hätten Augstein und Wolff bestimmte kritische Fragen, wie die nach Heideggers Eintritt in die NSDAP, gar nicht explizit gestellt. Stattdessen belege der Mitschnitt "devote Zustimmungsfloskeln wie 'Das ist schlagend, Herr Professor!‘"
Das knapp ein halbes Jahrhundert alte SPIEGEL-Interview sei heute wieder aktuell, wegen Heideggers Satz "Die Philosophie ist tot, sie ist durch die Kybernetik abgelöst worden." In den Worten des Medienwissenschaftlers Hachmeister:
"Was das 'Riesenhafte‘ angeht, wie Heidegger es nannte, diese allumfassende Kontrolle und Erfassung durch neue Technologien -, da ist er vielen konventionellen Medienkritikern voraus. In Zeiten von Facebook, Suchmaschinen und NSA-Überwachung ist das hyperaktuell."
Heideggers "Riesenhafte" schwebte wohl auch über dem Digitalfestival SXSW im texanischen Austin. Animiert von Edward Snowdon, der per Videokonferenz zugeschaltet wurde, so Johannes Kuhn in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, habe sich der Glaube an die technische Lösung des Überwachungsproblems als roter Faden durch den Kongress gezogen.
Dabei klingen die von Kuhn referierten Vorträge eher so, als würde die Überwachung des Menschen durch weitere Technologie nur noch verschärft. So habe der Industriedesigner Tim Brown von seiner Idee berichtet, Implantate unter der Haut des Menschen könnten seinen Gesundheitszustand kontrollieren, "aber auch Gefühle und Regungen digitalisieren und analysieren". 2050 wird es wohl mehr intelligente Maschinen als Menschen geben, schreibt SZ-Autor Kuhn und zitiert den Chef einer Software-Firma mit den Worten:
"Die Frage ist: Was werden Roboter einmal NICHT besser als Menschen können?"
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