Aus den Feuilletons

Streit nach Augstein-Tweet zu G20

Randalierer stehen im Schanzenviertel in Hamburg vor einer brennenden Barrikade.
Randalierer stehen am 7. Juli im Schanzenviertel in Hamburg vor einer brennenden Barrikade. © Markus Scholz/dpa
Von Arno Orzessek · 07.07.2017
Die Ausschreitungen in Hamburg zum G20-Gipfel vor Augen hat unser Autor die Feuilletons des Tages durchgeschaut. Und ist in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" fündig geworden. Dort gibt es harsche Kritik an einem prominenten - deutschen - Twitter-Nutzer.
Spannend macht es die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG! Unter dem Titel "Brandstifter" zitiert Michael Hanfeldt aus den Tweets eines Prominenten, verschweigt aber zunächst dessen Namen. Als in Hamburg der "Schwarze Block" unter den G20-Gegnern zu randalieren begann, twitterte der Promi:
"'Der Preis muss so in die Höhe getrieben werden, dass niemand eine solche Konferenz ausrichten will. G20 wie Olympia als Sache von Diktaturen.'"
Als die Bundesregierung twitterte, friedliches Demonstrieren - okay, aber für Gewalt gebe es keine Rechtfertigung, konterte unser Promi, der sich laut Hanfeld "Verleger nennt": "'Widerspruch! Der Gipfel selbst tut der Stadt Gewalt an! Mündige Bürger werden zur Kulisse von Despoten gemacht.'"
Etwas rachsüchtig mischt der FAZ-Autor Hanfeld in die aktuellen Tweets des Promis auch dessen Tweet nach den sexuellen Übergriffen "Silvester 2016" in Köln: "'Ein paar grapschende Ausländer und schon reißt bei uns der Firnis der Zivilisation.'"
Bevor wir nun den Klarnamen, den die FAZ erst am Ende aufdeckt, unsererseits nennen, zweierlei: Erstens: 'Silvester 2016‘ müsste 'Silvester 2015' heißen, denn diesem Jahr werden die Übergriffe zugerechnet - auch wenn sie größtenteils nach Mitternacht und damit 2016 stattgefunden haben.
Zweitens: Natürlich weiß Michael Hanfeld, dass er durch Rhetorik und Aufbau seines Artikels den Promi so richtig an den Pranger stellt - und wir tun es ihm nach, indem wir seinen Spannungsbogen imitieren.
Aber sei's drum: Es handelt sich bei dem Promi um Jakob Augstein. Und dieser windige Linkspopulist dürfte kaum groß flennen, wenn er mal so angefasst wird, wie er selbst gern anfasst.

"Kein Tweet hat jemals irgendjemanden von irgendetwas überzeugt."

Als wär's ein Kommentar zum Hanfeld-Artikel, veröffentlicht in selbiger FAZ der amerikanische Rechtsprofessor Eric Posener "Zwanzig Thesen über die Kraft der 140 Zeichen" - und zwar unter dem Titel "Das richtet Twitter an".
Hier Poseners Thesen 4 bis 7:
"4. Twitter ist ein ungeeignetes Instrument um Einfluss auszuüben - siehe Punkt 5."
"5. Kein Tweet hat jemals irgendjemanden von irgendetwas überzeugt."
"6. Twitters wirklicher Zweck ist nicht, den Menschen zu helfen, an Informationen zu gelangen oder Einfluss auszuüben."
"7. Twitters wirklich Zweck ist, es Menschen zu ermöglichen, dort die Bestätigungen ihrer Überzeugungen zu finden."
So, liebe Twitterer, und nun Sie! Machen Sie Ihrer Empörung über den verstockten Professor Posener Luft! Gewiss werden Sie in Likes ertrinken!

Streit um ein "Judensau"-Relief in Wittenberg

Wir kümmern uns unterdessen um die "Sieben Thesen zur Judensau". Unter diesem Titel skizziert in der TAGESZEITUNG der Schriftsteller Dmitrij Kapitelman seine Sicht auf einen Streit in der Luther-Stadt Wittenberg.
Dort hängt an einer Kirche ein Relief, das einen Rabbi zeigt, der einem Schwein in den After schaut. Marin Luther hatte einst suggeriert, so ähnlich würden jüdische Geistliche im Talmud nach Weisheit suchen. Ein Theologe startete eine Initiative, um das Relief abnehmen zu lassen, der Stadtrat entschied: Es bleibt!
Laut These 1 scheint Kapitelman damit einverstanden zu sein: "Das Relief der Judensau würde im Museum weniger stinken. Aber es zu entfernen hätte nicht einen Antisemiten vom Antisemitismus abgehalten. Dieser Ablasshandel funktioniert nicht."
Tatsächlich aber stört sich Kapitelman, der Sohn eines jüdisch-ukrainischen Mathematikers, sehr wohl an der Judensau. Seine siebte These lautet: "Die evangelische Landesbischöfin Ilse* Junkermann verlautbarte, die christliche Geschichte sei schmerzhaft und man solle die Statue deshalb [ ... ] aushalten. Mit Verlaub, die christliche Geschichte war hauptsächlich für Nicht-Christen schmerzhaft. Und die Judensau müssen vor allem die in Deutschland übrig gebliebenen Juden aushalten."
Partout nicht zum Aushalten findet die Tageszeitung DIE WELT das aktuelle Wettlesen um den Bachmann-Preis in Klagenfurt:
"In Hamburg brennt die Stadt, und hier übt sich die Fashion Week für mutlose deutschsprachige Literatur in Realitätsverkleinerung. Man möchte schreien."
Nun denn. Falls Sie, liebe Hörer, eine Empfehlung fürs Wochenende brauchen - die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG titelt:
"Augen auf und durch."
*) In einer früheren Version wurde ein falscher Vorname verwendet.