Aus den Feuilletons

So ändern sich die Zeiten

Ein Musiker mit Schnauzbart spielt auf einer Trompete.
Berufstrompeter dürfen nun werktags jeweils drei Stunden und an Feiertagen 'eine entsprechend geringe Zeitspanne' üben. © unsplash.com / Priscilla Du Preez
Von Klaus Pokatzky · 26.10.2018
Heimisches Musizieren gilt nun als Entfaltung der Persönlichkeit, nicht mehr als Kulturleistung. Das Bauhaus ist nicht mehr politisch und bei den Passionsspielen dürfen sogar "verheiratete Frauen die Maria geben" und Protestanten und Muslime mitmachen.
"Das Glück ist ein Verlustgeschäft", lesen wir in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. "Zufrieden ist der Mensch nie", werden wir immer unglücklicher gemacht. "Glückliche Menschen sind Langweiler und darum nicht kunsttauglich", schreibt Roman Bucheli auch noch. "Wir möchten nichts sehnlicher, als zufrieden zu sein, und haben doch ein stärkeres Talent zur Unzufriedenheit: weil dann doch immer etwas fehlt zum ganzen Glück, ein letztes Quentchen zur vollkommenen Zufriedenheit." Kein Glück nirgends.
"Was haben Musik oder Literatur", fragt Roman Bucheli, "im Angebot?" Ein glückliches Urteil unserer Justiz, Kollege – könnten wir antworten. "Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ein Urteil des Landgerichts Augsburg aufgehoben, nach dem ein Musiker in seinem Reihenhaus nur zehn Stunden pro Woche üben durfte", teilt uns die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG mit.

Heimisches Musizieren: Keine Kulturleistung?

"Nach dem neuen Urteil des BGH vom Freitag darf der Berufstrompeter nun werktags jeweils drei Stunden und an Feiertagen 'eine entsprechend geringe Zeitspanne' üben." Das Glück ist nicht vollkommen, denn: "Der BGH begründete sein Urteil allerdings nicht damit, dass Musizieren eine Kulturleistung ist – darüber gibt es offenbar keinen gesellschaftlichen Konsens mehr –, sondern mit dem Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit."
Und welches Recht auf freie Entfaltung haben Musiker mit recht radikalen linken Einstellungen? "Das kommt", steht in der Tageszeitung TAZ: "Feine Sahne Fischfilet 6.11., Dessau." Also gibt es doch einen Auftritt der linken Punkband im sachsen-anhaltischen Städtchen – aber in der Veranstaltungsstätte Brauhaus: keinesfalls zu verwechseln mit dem Bauhaus.

"Wir als Bauhaus sind ein bewusst unpolitischer Ort"

"Das Bauhaus war stets politisch", heißt es in der SÜDDEUTSCHEN. "85 Jahre später will man in Dessau davon jedoch nichts mehr wissen", beklagt Laura Weissmüller und zitiert die Stiftung Bauhaus Dessau mit ihrer Begründung, warum Feine Sahne Fischfilet in ihren Räumen nicht auftreten darf: "Wir als Bauhaus sind ein bewusst unpolitischer Ort."
Ein Ort, dem jetzt aber noch mehr als nur das Politische abhandenkommen wird. "Völlig zu Recht formiert sich", schreibt Laura Weissmüller "Widerstand. Der Berliner Maler Clemens Krauss lässt seine drei Bilder, die derzeit im Bauhaus Dessau in einer Ausstellung gezeigt werden, abhängen."

Igor Levit will sich auch weiter politisch äußern

Verweilen wir noch bei der Musik, sie ist einfach zu schön – jedenfalls, wenn dieser Mann sie spielt: "Igor Levit will sich auch weiter politisch äußern", erfahren wir aus dem Berliner TAGESSPIEGEL zu dem grandiosen Pianisten, der sich immer wieder gegen Rassismus äußert. "'Als Künstler zu meinen, man stehe über allen gesellschaftlichen Dingen, ist ein Luxus, den wir uns in der jetzigen Situation nicht mehr leisten können'", sagte der 31-Jährige dem "'Münchner Merkur'".
Vergessen wir das Theater nicht. "Als ein Protestant ins Team aufgenommen wurde, glaubte der katholische Pfarrer noch, die Welt breche zusammen", erinnert die NEUE ZÜRCHER an ganz alte Zeiten bei den Passionsspielen im bayerischen Oberammergau, wo bei der nächsten Aufführung in zwei Jahren sogar "verheiratete Frauen die Maria geben dürfen", wie Bernd Noack schreibt, "Evangelische mitspielen und mit Cengiz Görür oder Abdullah Karaca sogar zwei junge Männer, die augenscheinlich einer anderen Religion angehören!" So ändern sich die Zeiten.

Zum 80. Geburtstag von Edda Moser

"Nie hat sie Fächer, aber immer Rollen gesungen", gratuliert die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG der Sopranistin Edda Moser zum 80. Geburtstag. "Sie war keine Dramatische oder Hochdramatische durch Klangfülle und Durchschlagskraft der Stimme", schreibt Jürgen Kesting, "sondern durch die Fähigkeit, einen Ton, eine Phrase zu durchglühen."
Glückwunsch!
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