Aus den Feuilletons

Skandalkunst und skandalfreie Musik

Abba-Musiker Benny Andersson
Abba-Musiker Benny Andersson © imago stock&people
Von Tobias Wenzel · 01.11.2017
Streit um die Brisanz der Gurlitt-Sammlung und Enthüllungen in Hollywood - in den Feuilletons geht es hoch her dieser Tage. Die "Zeit" allerdings hat da eine Idee, für Entspannung zu sorgen: Sie macht ein Interview mit einem Musiker, der erst nun, im Alter ein Fall fürs Feuilleton ist.
"Seltsam, wie lange die Affäre ein nachtschwarzes Nichts umkreiste", schreibt, fast schon Poet, Hanno Rauterberg in der ZEIT über die Sammlung Gurlitt. "Erst jetzt kommt die Kunst ans Licht, und endlich dürfen alle sehen, was manche als Nazi-Schatz bejubelten, als Milliardenfund priesen – und was nun, fast unweigerlich, die meisten enttäuschen dürfte." Zwei Ausstellungen, eine in der Bundeskunsthalle Bonn, die andere im Kunstmuseum Bern, zeigen nun Teile der Sammlung.
Ein großes Thema für die meisten Feuilletons. Hanno Rauterberg nimmt sich in der ZEIT gleich beide Ausstellungen vor. Ja, es seien ein paar "beachtliche Werke der französischen Moderne" zu sehen und viele "Papierarbeiten aus dem deutschen Expressionismus" wie von George Grosz. "Ansonsten zeigen die beiden Ausstellungen viele Bilder, die sicher gut über einer Barockkommode hingen, an einer weißen Wand aber verloren wirken. Die Sammlung ist in Wahrheit ein Sammelsurium, in dem es alte Familienstücke ebenso gibt wie die Restbestände eines Kunsthändlerlebens." Die Kuratoren beider Ausstellungen hätten vor einem Dilemma gestanden: die Kunst als Kunst zeigen und zugleich das mit ihr verbundene Thema der Enteignung. Herausgekommen sei dabei eine "Konfusion": "Eine, das muss man sagen, überaus anregende Konfusion."

Raubkunst oder nicht?

Ein "Nazi-Schatz" mit Milliardenwert? "Die Fakten sind andere", stellt Julia Voss in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN klar. "Von den 1500 Werken gelten bisher nur sechs als NS-Raubkunst. […] Und der hypothetische Preis wird heute auf einen dreistelligen Millionenbetrag geschätzt, keine Milliarde Euro." Werke gesammelt einst von Hildebrand Gurlitt, einem "Kunsthändler im Dienst der Nationalsozialisten", wie es Rose-Maria Gropp in der FAZ formuliert. "Hildebrand Gurlitt lässt sich in Teilen Geschmack nicht absprechen. Der unangenehme Ruch bleibt." Gropp erinnert an die Methoden der Nazis, deutsche Juden dazu zu zwingen, ihre Kunst weit unter Wert zu verkaufen, "etwa um die von den Nationalsozialisten erhobene ‚Reichsfluchtsteuer‘ entrichten zu können. Es ist eine moralische Pflicht, Spuren dieser Form von Gewaltanwendung zu beforschen, so aufwendig das auch sein mag."

Alles in einem Social-Media-Topf

Über Vergewaltigungen und Belästigungen gegen sie berichteten, im Zuge der Vorwürfe gegen den Hollywood-Produzenten Weinstein, Frauen in der Internetkampagne "#MeToo". Nun melden sich, bestärkt durch den Hashtag, auch Männer zu Wort, die sich als Opfer von Männern begreifen, unter anderem von Schauspieler Kevin Spacey. Die Produktion der sechsten Staffel von "House of Cards" wurde erst einmal gestoppt. "Alles dank der –pfui – sozialen Netzwerke", ruft Anne Fromm in der TAZ aus: "Dass sich nun so viele (vermeintliche) Opfer doch zu Wort melden, ist auch ein Verdienst der sozialen Medien." Allerdings gebe es dort auch einen Nachteil: Niemand moderiere die Debatten. "So flogen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz mit Vergewaltigung, Machtmissbrauch und Disko-Grapschern in einen Topf."

Lieber ein Hotel kaufen, statt Hotelzimmer zu demolieren

Nach Gedanken zu Übergriffigem und Raubkunst zum Schluss schnell noch etwas Unverfängliches, Christoph Dallachs Interview mit Abba-Opa Benny Andersson in der ZEIT. Und da die hier nicht mehr reicht, nur der Beginn und das Ende des Gesprächs. Erste Frage: "Herr Andersson, egal wie tief man gräbt, man findet einfach keine Skandale in der Band Abba. Haben Sie tatsächlich nie ein Hotelzimmer zertrümmert und Drogenorgien gefeiert?" Antwort: "Nein, wir haben wirklich nichts gemacht. […] Sie werden auf keine Abba-Skandale stoßen, tut mir leid." Letzte Frage: "Stimmt eigentlich die Geschichte, dass man Sie mit etwas Glück in der Bar eines Hotels in Stockholm erleben kann, wo Sie am Klavier sitzen und alte Volkslieder für die verblüfften Gäste spielen?" Benny Anderssons Antwort: "Das stimmt, mir macht das Spaß. Und keiner kann es mir verbieten, denn das Hotel gehört mir. Ich habe mir lieber ein Hotel gekauft, statt in den Hotels anderer die Zimmer zu demolieren."