Aus den Feuilletons

Sind die Fans die Chefs der Filmstars?

Hollywoodstar Johnny Depp und seine Ehefrau, die Schauspielerin Amber Heard, auf dem Roten Teppich vor dem Palazzo del Cinema bei den Filmfestspielen in Venedig, aufgenommen am 5.9.2015 bei der Premiere des Films "The Danish Girl".
Hollywoodstar Johnny Depp und seine Ehefrau, die Schauspielerin Amber Heard, auf dem Roten Teppich vor dem Palazzo del Cinema bei den Filmfestspielen in Venedig © picture-alliance / dpa / Hubert Boesl
Von Paul Stänner |
Die Feuilletons sind voll mit Kritiken der Premieren bei den Filmfestspielen in Venedig. Dort hat Superstar Johnny Depp kokett bemerkt, dass er den Begriff "Fans" nicht mag, sondern diese lieber als seine "Chefs" bezeichnet.
Sicherlich überlegen Sie gerade, welches der Montags-Feuilletons Sie kaufen sollen. Für jeden gebildeten Menschen ist das eine Frage von großer Bedeutung, gerade in diesen geistfernen Zeiten: Schauen wir auf Putins Russland, wo missliebige Künstler von der orthodoxen Kirche gejagt werden, oder auf den hirntoten Islamischen Staat, der als einziges Kulturgut den Automat Kalaschnikow anerkennt. Und jetzt wollen Sie wissen: Wo gibt es was Gutes für den Verstand? Ich sag`s Ihnen:
In Venedig sind die Filmfestspiele im Gange. In allen Feuilletons können Sie über die Premieren lesen. Als Beifang findet sich meist auch die kokette Bemerkung von Superstar Johnny Depp, dass er den Begriff "Fans" nicht möge und lieber von seinen "Chefs" spreche. Auch finden Sie die Meldung, Soulsängerin Aretha Franklin habe einen Dokumentarfilm über sich gestoppt, weil darin zu viel Musik von ihr enthalten sei. Was hat sie nur erwartet: Kochrezepte vielleicht?
Deutsche Gemütlichkeit statt Willkommenskultur
Kaufen können Sie die FAZ: Feridun Zaimoglu, Schriftsteller mit türkischem Hintergrund, zerfetzt höflich und entschieden Milosz Matuschek, einen Juristen mit polnischem Hintergrund, denn dessen Text "trieft vor Deutschenverachtung, und er ist ein Frontalangriff auf den Intellekt."
Matuschek hatte den Deutschen in einem FAZ-Artikel unterstellt, sie hätten keine Willkommenskultur, allenfalls Gemütlichkeit, und die will keine Veränderung. Laut Zaimoglu gefällt sich Matuschek in der Rolle eines –Zitat- "Eliteausländers", der das Volk, das ihn aufnahm, geringschätzt und erziehen will. Zaimoglu zerlegt Matuscheks Vorwürfe in kompostierbare Teilchen und hält dagegen:
"Mich hat Deutschland bereichert. Und in meinem Land werden aus Gästen künftige Gastgeber."
Das Recht des Fremden auf Gastfreundschaft
Das ist flott dahin geschrieben. Wer es komplexer möchte, kauft die SÜDDEUTSCHE. Hier wird mit Immanuel Kant argumentiert: Erstens wird "Willkommenskultur" durch "Gastfreundschaft" ersetzt und diese wiederum stellt der Philosoph in seiner Schrift "Zum ewigen Frieden" (da wusste er nichts von der Kalaschnikow) ins Zentrum des Weltbürgerrechts. Kurz gefasst: Willkommenskultur ist dem Aufklärer Kant zufolge nicht eine launige Komponente deutscher Gemütlichkeit, sondern –Zitat:
"Das Recht des Fremdlings, seiner Ankunft auf dem Boden eines andern wegen von diesem nicht feindselig behandelt zu werden".
Kaufen Sie also die Süddeutsche, lesen Lothar Müllers nicht ganz einfachen Artikel und geben sie ihn mit eigenen Worten an Pegida weiter.
Mit dem Smartphone den Nachwuchs überwachen
Die FAZ bietet Eltern Stoff zum Nachdenken. In der Altersgruppe von acht bis neun Jahren nutzen 25 Prozent der Kinder das Smartphone, von zehn bis elf sind es 57 Prozent, bis 13 Jahre werden es 85 Prozent. Damit haben Eltern wunderbare Überwachungsinstrumente, mit denen sie Standkort, Bewegungsmuster und Daddelverhalten ihrer Jüngsten überwachen können. Fridtjof Küchemann fordert dazu auf, den Kindern ihre Privatsphäre zurückzugeben und warnt vor den Folgen:
"Wenn sie keine Heimlichkeiten vor ihren Eltern haben können, wenn keine Abweichung unbemerkt bleibt, kein Fehltritt ungestört ausgebügelt werden kann und keine unvorsehbare Situation gemeistert werden muss, ohne dass gleich Rettung naht?"
Ja was dann? Küchemann befürchtet, dass die elektronische Überwachung schon die Kleinen unsensibel machen könnte für den Entzug der Privatsphäre. Womit wollen Sie also am Montag Ihren Geist füttern? Venezianische Premieren, deutsche Gemütlichkeit, aufgeklärte Willkommenskultur oder überbesorgte Schnüffeleltern?
Ein Gesundheitssystem jenseits jeglicher Gastlichkeit
Was Sie aber auf jeden Fall haben müssen, ist die FAZ mit Hans Zipperts Schilderung seiner vorübergehenden Einbeinigkeit. Dem Zippert ist – ausgerechnet bei einem Fotoshooting zum Thema Gesundheit – die Achillessehne gerissen. Es folgte eine Odyssee durch das deutsche Krankenhaus- und Ärztewesen jenseits jeglicher Willkommenskultur und Gemütlichkeit – Zitat:
"Man muss Verständnis haben: Krankenschwestern arbeiten viel, bekommen wenig Geld dafür und sind von kranken Menschen umgeben, von den Patienten ganz zu schweigen."
Lesen Sie – da hat Ihr Geist wirklich Freude.
Dem Kollegen Hans Zippert gilt natürlich unser ganzes Mitgefühl.
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