Aus den Feuilletons

Schwäbische Kehrwoche feiert Geburtstag

Kehrblech und Schaufel in einem Hausflur
Die schwäbische Kehrwoche "feiert" Jubiläum. © dpa / picture alliance / Heiko Wolfraum
Von Arno Orzessek |
Die Kulturpresseschau befasst sich unter anderem mit der schwäbische Kehrwoche, mit einem viel beachteten Buch des Politologen Herfried Münkler und mit einem Werk des Historikers Kyle Harper, das vom Lust- und Liebesleben im alten Rom handelt.
Kaum nötig zu sagen: Es ist das Jahr der großen Jahrestage.
Vor 25 Jahren fiel die Mauer, vor 60 Jahren das Tor von Helmut Rahn, das Deutschland zum Fußball-Weltmeister machte, vor 100 Jahren der Startschuss zum Ersten Weltkrieg.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aber feiert die Geburt der schwäbischen Kehrwoche vor 300 Jahren, als der selige Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg eine "'Gassensäuberungsordnung'" verfügt hat ...
Wohl ohne zu ahnen, dass er den Schwaben damit eine unkaputtbare Identität im Zeichen des Putzfimmels schenken würde.
"Die Kehrwoche ist das Hochamt schwäbischer Korrektheit, ein Ritual, das neben hygienischen Vorteilen vor allem die Versicherung bietet, dass die Schwabenwelt weiterhin heil ist",
resümiert - halb ironisch, halb gerührt - SZ-Autor Roman Deininger. –
Blättern wir im Jubiläumskalender wieder 200 Jahre vor - bis 1914.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG führt ein Gespräch mit Herfried Münkler. Der Berliner Politologe bringt es als Autor des Buches „Der große Krieg“ momentan zu einer medialen Allgegenwärtigkeit, wie sie Wissenschaftlern selten beschieden ist …
Was auch damit zu tun hat, dass dieser Gelehrte Pointen nicht scheut.
Auf die FAZ-Frage, warum das deutsche Militär bis zum Frühsommer 1918 die taktische Überlegenheit behielt und kriegstheoretisch stets vorn lag, antwortet Münkler:
"Die Engländer und Franzosen sitzen in dieser Frage in der Falle ihrer Materialüberlegenheit. Die deutsche Seite dagegen muss durch Lernen ausgleichen, was ihr an Menschen- und Kriegsmaterial fehlt. Auf lange Sicht ist das natürlich ein Unglück für die Deutschen, weil eine ganze Reihe von führenden Offizieren […] nach dem Ende des Krieges sagt: Eigentlich waren wir besser. Wir wollen ein Rückspiel."
Der Zweite Weltkrieg - ein "Rückspiel"? Münklers flapsige Formulierung trifft historisch, gelinde gesagt, nicht ganz ins Schwarze - wohl aber den kompetitiven Ehrgeiz damaliger Militärs sehr gut.
Und wer gewinnt heute das weltpolitische Spiel?
„Verlierer ist: der Westen“, heißt es in der Tageszeitung DIE WELT.
Wolf Lepenies befasst sich mit einem Ranking der Zeitschrift "The American Interest", in dem die Gewinner-Staaten des Jahres 2013 gelistet werden - und umgekehrt Staaten, die global an Einfluss verloren haben.
"Westliche Werte […] verlieren an Attraktivität und Wirksamkeit. Das Wunschbild eines säkularen Islam erweist sich immer mehr als Schimäre. Die Türkei entfernt sich zunehmend von den Ideen Kemal Atatürks und in Ägypten gelang es nur durch einen Militärputsch, die von den Muslimbrüdern geplante Re-Islamisierung des Landes zu verhindern. Gleichzeitig gewinnt Al-Qaida wieder an Boden",
beklagt WELT-Autor Lepenies.
Auch FAZ-Autor Evgeny Morozov sieht die westlichen Demokratien in der Krise - aus hausgemachten Gründen.
"Macht darf nicht alles wissen. Man muss die Religion des Datenhungers angreifen“, fordert Morozov - und erläutert:
"Das Problem […] ist nicht die mangelnde Kontrolle über unsere Daten, sondern die Tatsache, dass moderne politische Systeme, die über solche Datenmengen verfügen, den Bürger für entbehrlich halten - und Bürger, die sich im digitalen Vergnügungspark namens 'Content' amüsieren, nur allzu bereit sind, sich aus der Sphäre des Politischen zurückzuziehen."
Was auch wir tun.
Denn in der WELT bespricht Hannes Stein "From Shame to Sin" - also etwa: 'Von der Scham zur Sünde' -, ein noch nicht übersetztes Buch des Historikers Kyle Harper, das vom Lust- und Liebesleben im alten Rom handelt.
"Grundsätzlich galt Sex, der nicht mit romantischen Gefühlen verbunden war, als gesund: eine Art befreiendes Niesen mit dem Unterleib",
fast Hannes Stein zusammen.
Ist sie nicht putzig, diese Feuilleton-Sprache? Der Zweite Weltkrieg – ein "Rückspiel"; Sex – ein „Niesen mit dem Unterleib“…
Wozu passt, dass die Kritik des Berliner TAGESSPIEGEL zu Herbert Fritschs „Ohne Titel Nr. 1“ an der Berliner Volksbühne "Der Bretterbericht" heißt.
Wen es indessen nach mehr Ernsthaftigkeit gelüstet, der greife nur ja nicht zur SZ. Dort heißt es in Fettdruck: "Sinn ist zwecklos."