Aus den Feuilletons

Schöner Wohnen bei den Neandertalern

Höhlenmalerei in der Höhle La Pasiega in Spanien, die von Neandertalern stammt
Ein internationales Forscherteam hat herausgefunden, dass Neandertaler Kunstwerke geschaffen haben. © P. Saura
Von Ulrike Timm · 22.02.2018
Das hätte man unseren frühen Vorfahren ja gar nicht zugetraut! Dass die Neandertaler nicht nur Keulen, sondern auch Pinsel schwingen konnten, ist eines der Themen in den Feuilletons. Außerdem im Focus: wie die Seriensucht die Romane killt.
Vor langer, langer Zeit, 2008, um genau zu sein, bezeichnete der damalige Umweltminister Sigmar Gabriel ein Statement des damaligen US-Präsidenten George W. Bush als "Neandertal-Rede".
"Das war nicht nur unfreundlich den Neandertalern gegenüber, sondern auch nicht auf der Höhe der Forschung, schließlich ist das Bild jener Frühmenschenart als tumbe Rohlinge längst veraltet", schreibt die FAZ und will noch viel weiter zurück, nämlich….genau.
"In spanischen Höhlen ist jetzt altsteinzeitliches Wanddekor in die Zeit datiert worden, als unsere eiszeitlichen Vettern noch allein in Europa waren." Kurzum: der Neandertaler hat gemalt. "Und sein Umgang mit Farbe dürfte keine nur gelegentlich aufflackernde Marotte gewesen sein, sondern Teil einer kulturellen Tradition", meinen Leipziger Forscher vom Max Planck Institut begeistert, und sie sind sich sicher, durch die unterschiedlichen Pigmentschichten eine abgepauste Hand in einer Neandertalerhöhle in der Extremadura auf mindestens 66 700 Jahre schätzen zu können. Eine andere Neandertalsche Wohnhöhlenmalerei in Nordspanien bringt es dagegen nur auf schlappe 64 800 Jahre… Allerdings bewegen sich die bildhaften Bemühungen von vor 65 750 Jahren – das ist jetzt fair gemittelt zwischen dem einen und dem anderen Fund! – noch sehr im Ungefähren, "Und es verstößt nicht gegen die Würde eines prähistorischen Menschen wie eines Neandertalers, wenn man ihn, obgleich er malt, deshalb noch nicht als Künstler bezeichnet".

Serien sind die neuen Romane

Zahlenlastig sind so einige Artikel in den aktuellen Feuilletons. 29 Mio. z.B. zitiert der TAGESSPIEGEL – so viele E-Books wurden 2017 verkauft, und was vor einigen Jahren auf den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt als Gespenst umging, taugt inzwischen nur noch für ein Gespenstchen. Eines, das kryptische Sätze gebiert, z.B. diesen: "Absatz von E-Books steigt, Umsatz geht zurück", das meldet der Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Wie das geht? Ganz einfach, E-Book-Käufer gehen verstärkt auf Schnäppchenjagd, dann geht das schnell, dass der Absatz steigt, aber der Umsatz schmilzt… Gerrit Bartels macht sich ökonomische Gedanken ganz anderer Art, wenn er im TAGESSPIEGEL schreibt:
"Tja, womit wir bei dem neuen, womöglich viel gefährlicheren Gespenst sind; der Zeit, die immer knapper wird, die niemand mehr zum Lesen hat. Weil, zum Beispiel, alle die ach so vermeintlich tollen Serien schauen statt Bücher lesen (sind mindestens so gut wie viele Romane, hieß es eine Zeit lang aus der Reihe der Literaturkritik, die mit aller Macht hip und fortschrittlich sein wollte). Das Problem ist nur: die Serienguckerei nimmt auch ganz schön viel Zeit in Anspruch."
Unvermittelt taucht vor dem inneren Auge der Pressebeschauerin ein Neandertaler auf, der sich alle Zeit der Welt nimmt, um – egal ob Kunst oder keine Kunst – bedächtig seine spanische Wohnhöhle zu bepinseln, aber leider haben unsere Vorfahren vor spätestens 30000 Jahren die Segel gestrichen. So blieben sie von beidem verschont, E-Book und Seriengucken.

Ohne Moos viel los

"Wo es etwas umsonst gibt", weiß die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, gehen die Zahlen manchmal eindrucksvoll in die Höhe. Freier Eintritt ins Alten Schloss bescherte dem Landesmuseum Stuttgart einen Besucherboom, "kamen im Januar 2017 1400 zahlende Besucher, waren es im ersten Monat mit freiem Eintritt im neuen Jahr 6995. "Das läuft genauso, wie wir uns das vorgestellt haben", freut sich die Direktorin, und auch natürlich darüber, dass ein großzügiger Mäzen und Förderer das möglich macht.
"Stell Dir vor, Du hast Geld, und keiner rückt’s raus" – nein, das steht in der WELT, und bezieht sich auf die Serie "Bad Banks", die die laut Rezensent Hanns-Georg Rodek ganz prima die Ego-Shooter der Finanzwelt seziert und - die die Zeit zum Bücherlesen raubt, würde der TAGESSPIEGEL-Kollege vielleicht kontern. Während Forscher in Leipzig weiter geduldig Neandertalers Farbpigmente datieren…