Aus den Feuilletons

Schnarchen im Kino

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Kinoprojektor © dpa / picture alliance
Von Ulrike Timm · 20.02.2018
Wie schön verschieden Geschmäcker sein können: Während die "FAZ" den Film "In Zeiten des Teufels" begeistert aufnimmt, muss der Rezensent der "Welt" das Interieur des Kinosaals betrachten, um nicht, wie neben ihm sitzende Kinobesucher, einzuschlafen.
Eigentlich hatten wir uns geschworen: die Kulturpresseschau bleibt berlinalefrei, weil die Berlinale ja überall schon sehr präsent ist. Aber nun…..ist es doch anders. Zu schön zu lesen, wie unterschiedlich man auf den gleichen Film schauen kann!

Begeistert hochgepunktet oder enthusiastisch verrissen

So geschehen beim neuesten Werk des Regisseurs Lav Diaz, der von eingefleischten Cineasten gefeiert wird und der in den letzten Jahren so ziemlich alles an europäischen Filmpreisen abgeräumt hat, was etwas gilt.
Jetzt stellte er sich mit einer Rockoper vor, in der es – so die FAZ"keine Musik gibt, aber großes Kino!". "In Zeiten des Teufels" heißt das Werk bzw. "Season oft the Devil", und es wird begeistert hochgepunktet von der Kritik. Oder ebenso enthusiastisch verrissen. Da ist doch mal was los!
"Eine Rockoper nennt der Regisseur diesen Film. Aber wer erwartet, es käme Rockmusik darin vor, wird sich enttäuscht sehen. Es gibt überhaupt keine Musik, nur den Gesang, der ein Sprechgesang ist oder sehr einfach Melodien immer wiederholt – gespenstig geradezu ein La La, La La , La La, La La , das Täter und Opfer gemeinsam singen und das noch lange im eigenen Ohr nachklingt."
schreibt Verena Lueken in der FAZ.
Hmm. La la, La la über vier Stunden in einem Film, der den Terror auf den Philippinen widerspiegelt, das könnte schwierig werden.
Aber die FAZ-Rezensentin ist begeistert, wie viele ihrer Kollegen, meint:
"Schwarzweiß, Gegenlicht als ästhetisches Prinzip, A-capella-Gesang statt Dialog und eine Laufzeit von vier Stunden: Kann das gutgehen im Kino? Unbedingt."

Everest-Besteigung für Kulturjournalisten

Felix Zwinzscher von der WELT dagegen hat sich Zeit genommen. Viel Zeit. Um die Lautsprecher im Kino zu zählen. Und die Rauchmelder. Die Sitzreihen und die Schrauben an den Leisten der Stufen. Es sind acht, soweit er das im Dunkeln sehen konnte.
"Ich habe mir anhören müssen, wie erwachsene Menschen in einem Kino von ihrem eigenen Schnarchen aufgeweckt werden, nur um im nächsten Moment wieder einzunicken". Kurzum, für den WELT-Rezensenten war es nicht bloß lang, sondern auch – weilig. Seine These:
"Das ist eine Art Everest-Besteigung für Kulturjournalisten. Da kann man gar nicht mehr schlecht darüber schreiben".
Eben wenn man die vier Stunden ja durchgehalten hat…
Ähnlich sieht das die NZZ, die zudem vermerkt, für Lav Diaz sei sein neuestes Werk mit vier Stunden ja eigentlich ein Kurzfilm, gemessen an seinem letzten, doppelt so langen Epos. Und das ist als Warnung zu verstehen. Was aber springt uns in der NZZ heute vor allem ins Auge? Die Überschrift, die die Filmkommentare zu kommentieren scheint: "Kultur bedeutet: sich unterscheiden".

Reichtum unterschiedlichster Kulturen

Da aber geht es aber nun um Navid Kermanis Reise durch ein Dutzend Länder, gen Osten, von Deutschland übers Baltikum, Belarus und die Krim bis nach Iran, eine Reise, die dem Schriftsteller den ganzen Reichtum unterschiedlichster Kulturen einmal mehr vor Augen, Ohren und Sinne führte.
Das lesenswerte Interview mit Navid Kermani, der vor zu viel Gleichmacherei in Europa warnt und zugleich den europäischen Gedanken weiterspinnt, finden Sie in der NZZ. Nach so viel Langmut, Schöngeist und unterschiedlichem Blickwinkel braucht’s noch was Handfestes. Oder hundfestes…

Identitätsnachweis per Pfotenabdruck

Lima ist jetzt SPD-Mitglied, BILD meldete den Hund zur Abstimmung über die Groko an, wollte testen, ob das geht. Ging ganz leicht. Meldete BILD. Und vergrätzte die SPD schwer, die darauf den Presserat anrief, denn Abstimmung über die Groko setze eine eidesstattliche Erklärung oder einen Identitätsnachweis voraus.
Den kann Lima nur per Pfotenabdruck leisten, und dann wäre sie doch wohl spätestens aufgeflogen. Sagt die Partei. Wo Lima doch so nett begrüßt worden war: "Ich freue mich sehr über deinen Eintritt in die SPD", hieß man den Vierbeiner willkommen. Nun wird die Mitgliedschaft annulliert. Kommentar von Michael Hanfeld in der FAZ:
"Unklar bleibt bei alldem jedenfalls, ob Lima für oder gegen die GroKo ist. Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos, heißt es bei Loriot."
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