Aus den Feuilletons

Reformen in Hollywood zeigen Wirkung

Denzel Washington ist der Hauptdarsteller und Regisseur des Sozialdramas "Fences".
Denzel Washington ist für seine Rolle in dem von ihm inszenierten Sozialdrama "Fences" bei den Oscars in der Kategorie Bester Hauptdarsteller nominiert. © EPA/PETER FOLEY/dpa
Von Hans von Trotha |
"La La Land" ganz vorne und der Rest gar nicht so weiß: Der Hashtag #oscarssowhite erscheint angesichts der diesjährigen Oscarnominierungen plötzlich völlig gestrig, lesen wir in der "Taz": Ein Mangel wurde erkannt und verändert.
"Wie stark haben 'Fake News' den Ausgang der amerikanischen Präsidentenwahl beeinflusst?",
fragt Philip Plickert in der FAZ. Er meint, dass wir uns das alle fragen - was aber vielleicht gar nicht der Fall ist. Egal. Plickert zitiert die Studie zweier US-amerikanischer Ökonomen, die "errechnet" haben:
"Der durchschnittliche Amerikaner sah und erinnerte 0,92 pro-Trump und 0,23 pro-Clinton Fake-News-Geschichten, wobei knapp über die Hälfe derer, die sie sahen, diese nach ihrer Erinnerung auch glaubten".
Allerdings haben die Autoren der Studie lediglich 1200 Amerikaner befragt. Die Frage, ob man den "erfundenen" News wirklich mit "errechneten" News beikommt, muss erst einmal offenbleiben.

Realität und Paranoia

Die Amerikaner scheint eh längst eine ganz andere Frage umzutreiben: Nämlich die, wie sie sich ihre Hoffnung bewahren sollen. Matthias Kolb berichtet in der SÜDDEUTSCHEN ausführlich, wie sich "in Amerika ... die progressive Linke auf einen langen Kampf gegen die Regierung Trump" vorbereitet. "Intellektuelle wie Naomi Klein, Robert Reich und Jeremy Scahill fordern die Bewegung zum Umdenken auf", berichtet Kolb, während die NZZ die dort zitierte Philosophin Judith Butler gleich selbst im Interview hat. Die sagt auf die Frage, ob die Angst vor Trump nicht vielleicht doch eher Paranoia sei:
"Ich fürchte, nein. Das Problem mit der Paranoia ist ja, dass die Realität dem Paranoiden zuarbeitet, und gegenwärtig leistet die Realität ... gute Arbeit darin, unsere schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen."
Und trotzdem bleibt Judith Butler optimistisch:
"Ich glaube", sagt sie, "dass es Widerstand geben wird. Im Übrigen glaube ich an unrealistische Ziele, das tut auch die Kunst, das tut der Film, das tun Dokumentationen und journalistische Fotografien; alle geben uns ein Bild, eine Vorstellung, eine radikale Ablehnung von Rassismus und von Chauvinismus. Längerfristig bleibt die Frage, wie sich die Menschen noch begeistern lassen außer durch Wut und Hass."
Die US-amerikanische Philosophin Judith Butler bei ihrer Vorlesung "Interpreting Non-Violence" an der Universität Freiburg in der Schweiz. 
Die US-amerikanische Philosophin Judith Butler bei einer Vorlesung an der Universität Freiburg in der Schweiz. © picture alliance / dpa / Peter Klaunzer

"La La Land" ganz vorne

Und siehe da - als wär´s schon eine Reaktion darauf, zeigt sich Hollywood von einer neuen Seite, wie die Oscarnominierungen belegen: "'La La Land' ganz vorn, der Rest nicht gar so weiß", bringt Tobias Kniebe in der SÜDDEUTSCHEN kürzestmöglich auf den Punkt, was Barbara Schweizerhof in der TAZ so erklärt:
"Früher hätte man im herrlich steifen Soziologendeutsch so etwas formuliert wie: Die Reformbemühungen haben Früchte getragen. Heutzutage, skeptisch durch 2016 und zweckpessimistisch für 2017, ist man kleinlauter. Trotzdem scheint ausgerechnet der Academy of Motion Pictures and Sciences ... zumindest auf der symbolischen Ebene etwas gelungen zu sein, was auf der realpolitischen derzeit unmöglich scheint: Ein Mangel wurde erkannt, Reformen wurden erdacht und implantiert – und zeigen Wirkung! (Die Reformen) erwiesen sich offenbar als so effektiv, dass der #oscarssowhite-Hashtag plötzlich völlig gestrig erscheint."
Und wo schon so viel von Hoffnung die Rede ist, kann man auch gleich noch Hanns-Georg Rodek zitieren, der in der WELT titelt: "Steckt schon mal die falschen Zähne ein", um dann ein bisschen narzisstisch fortzufahren:
"Möglich, dass am Morgen des 27. Februar – sollte 'Toni Erdmann' in der Nacht doch keinen Oscar gewonnen haben – alle anklagend auf diesen Artikel zeigen werden: 'Der hat es verschrien, der ist schuld.'"
Möglich nämlich auch, dass sich am Morgen des 27. Februar gar keiner an diesen Artikel erinnert, während alle "Toni Erdmann" im Kopf haben werden – mit oder ohne Oscar.

Vom Donner gerührt

Zum Tod des Experimentalfilmers Werner Nekes zitiert Rüdiger Schaper im TAGESSPIEGEL Bazon Brock mit dem großen, anlässlich von Nekes' Film "Uliisses" niedergeschriebenen Satz:
"Als ich den Film zum fünften Mal hintereinander gesehen hatte, rührte mich der Donner."
Der Filmemacher Werner Nekes. 
Der Filmemacher Werner Nekes (1944-2017)© picture alliance / APA / Hans Klaus Techt
Am 27. Februar kann dann jeder für sich selbst überprüfen, zu welchem der dann Oscar-prämierten Filme man sich vorstellen könnte, einen so schönen Satz zu sagen. Ja, welchen man überhaupt fünfmal würde sehen wollen – außer "Toni Erdmann".
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