Aus den Feuilletons

Puffreis in der Wundertüte des Lebens

04:17 Minuten
Helge Schneider bei einem Konzert in Görlitz am 22.8. 2019 während seiner "Pflaumenmus"-Tour. Er steht auf der Bühne mit einem Mikrofon in der Hand und lächelt in Richtung Publikum.
Helge Schneider bei einem Konzert in Görlitz am 22.8. 2019 während seiner "Pflaumenmus"-Tour. © Matthias Wehnert / Future Image / imago-images
Von Adelheid Wedel · 30.08.2019
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"Der Spiegel" hat die Konzerte von Helge Schneider im Vorfeld der Wahlen in Sachsen und Brandenburg beobachtet und konnte keine "Demokratieverdrossenen" und "Fremdenfeinde" finden. Womöglich seien sie "erschöpft vom Verdruss", folgert das Magazin.
Der Komiker und Jazzmusiker Helge Schneider gastierte in diesen Tagen, kurz vor den Landtagswahlen, in Brandenburg und Sachsen. Elke Schmitter hat die Konzerte in Cottbus, Görlitz, Zwickau und Dresden beobachtet und schreibt darüber im SPIEGEL:
"Die Zaubermaschine Helge Schneider startet pünktlich um 20.00 Uhr. Komik und Improvisation beruhen auf Präzision; die Improvisation kann sich nur entfalten, wenn der Rahmen steht."

Schicksalsgemeinschaft zwischen Künstler und Publikum

Schmitter schildert Schneiders Auftritte als eine Abfolge von Songs, "bestehend aus einigen ungereimten Zeilen über das absurde Alltagsleben und viel Klamauk zwischendurch. In der 'Wundertüte des Lebens', von der Helge singt, ist eben manchmal nur Puffreis drin", resümiert die Autorin. Sie berichtet nicht nur über das Konzerterlebnis, sondern charakterisiert in knappen Sätzen die politische Lage im Raum.
Und sie wundert sich, nachdem sie die "ambulante Schicksalsgemeinschaft" zwischen Künstler und Publikum hochleben ließ:
"Wo aber sind sie denn nun, die etwa 30 Prozent notorisch Unzufriedenen, die Demokratieverdrossenen, die völkisch Verdrehten und Fremdenfeinde? Möglicherweise mischten sie sich bei Helge, im exterritorialen Raum der komischen Kunst, unter die Mehrzahl der genussbereiten, zuversichtlichen Nachbarn; vielleicht sind auch sie manchmal erschöpft vom Verdruss."

Die heutigen Abgründe in Ostdeutschland reichen weit zurück

Es ist auffällig, welch breiten Raum die Feuilletons in jüngster Zeit dem Thema DDR bieten. In der Literatur wird das untergegangene Land schon länger und weniger zaghaft betrachtet. Die Tageszeitung DIE WELT erörtert im Gespräch mit Marcel Beyer "die politischen Spannungen in seiner Stadt".
Beyer, der Schriftsteller aus Köln, lebt seit 1996 in der sächsischen Landeshauptstadt. In seinem Dresden-Roman "Kaltenburg" geht er, wie DIE WELT schreibt, den "Urgründen der menschlichen Angst gnadenlos auf den Grund". Er wird nach der Rolle von Kunst und Kultur "in der gereizten Stimmung am Vorabend der Wahl" gefragt und schränkt ein:
"Als Schriftsteller und zudem als in der BRD sozialisierter Mensch stehe ich ja ohnehin weit am Rand. Der Vorteil dieser Randposition ist, dass ich Geschichten erzählt bekomme. Ich erfahre etwas von den heutigen Abgründen, die zum Teil weit zurückreichen. Nicht nur in die Wende- oder Nachwendezeit, sondern in die DDR. Das ungeheure Erzählbedürfnis lässt mich ahnen, dass die Menschen untereinander sich über solche Abgründe nie verständigt haben."
Er hat auch erfahren: "In Sachsen war Kunst immer ein Schlachtfeld, auf dem gesellschaftliche Konflikte stellvertretend ausgefochten wurden." Heute diene sie der Herausbildung der Identität der Ostdeutschen. Das habe viel mit Stolz, mit Überlegenheitsgefühlen und eben auch mit Kränkung zu tun, aber wenig mit Kunst.
Beyer meint, "dass viel unerledigtes, ungutes DDR-Erbe untergründig weiter wirkt". Aber die Jungen heute seien den damit einhergehenden Ängsten nicht mehr ausgeliefert. "Sie erst sind nun tatsächlich frei", sagt der Schriftsteller.

Semperopernball in Sankt Petersburg

Mit "Glitzer, Glamour, Landtagswahl" überschreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG einen Artikel, in dem sie davon berichtet, dass Russland den Semperopernball bekommt, dass der MDR, der Mitteldeutsche Rundfunk den Ball im Fernsehen überträgt und dass das alles mit Politik nichts zu tun haben soll.
Angekündigt wird die Übertragung im MDR als "Kulturbrücke und große Ballnacht. Und so sieht es naturgemäß auch Hans-Joachim Frey, der Initiator der russischen Filiale in Sankt Petersburg und künstlerischer Gesamtleiter des Dresdner Balls", das haben die Autoren Clara Lipkowski und Cornelius Pollmer erfragt. Sie stellen aber auch fest:
"Beim Blick in den Kalender fällt auf, dass der Ball nicht nur in Zeiten politischer Spannungen zwischen Deutschland und Russland terminiert worden ist - sondern exakt am Vorabend der Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg, wo der Wahlkampf auch mit der Forderung nach einem Ende der Sanktionen gegen Russland bestritten wird."
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