Aus den Feuilletons

Prächtiges aus dem hohen Norden

Die finnische Autorin Rosa Liksom steht am 05.10.2014 in Frankfurt am Main (Hessen) vor Bildern ihrer Fotoausstellung "Burka", für die sie Frauen mit blauen afghanischen Burkas in finnischen Landschaften fotografiert hat. Mit ihrem aktuellen Roman "Abteil Nr.6" ist die vielseitige Künstlerin auch auf der diesjährigen Buchmesse vetreten.
Buchmesse 2014: Die finnische Autorin Rosa Liksom ist in Frankfurt am Main mit ihrem Roman "Abteil Nr.6" vertreten. © picture alliance / dpa / Foto: Frank Rumpenhorst
Von Maximilian Steinbeis · 06.10.2014
In Frankfurt dreht sich wieder alles ums Buch, und dieses Jahr stehen die Finnen im Fokus. Grund genug für die "Welt", sich dem Besonderen der finnischen Sprache zu widmen. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" ergründet hingegen die "spezielle historische Beziehung" zu Finnland.
Wie jedes Jahr um diese Zeit ist es die bevorstehende Frankfurter Buchmesse, die den Feuilletons aus der Themenfindungs-Klemme hilft, und zwar durch die Wahl eines Partnerlandes, das mitsamt seiner Literatur dem feuilletonistisch interessierten Publikum vorgestellt zu werden verlangt. Die WELT ist so originell, ihre Finnland-Seite mit rotem Häuschen an blitzeblauem See nebst Birkenwäldchen zu illustrieren und lässt uns dazu wissen:
"Die Vielfalt der literarischen Landschaft kann durchaus mit der Natur des Landes mithalten."
Die Krimiautorin Leena Lehtolainen erklärt im Interview das "Besondere an der finnischen Sprache" damit, dass sie "16 verschiedene Arten" kennt, Wörter zu beugen, dafür aber nur "ein Personalpronomen". Nicht viele Deutsche sprechen diese schwierige Sprache, weshalb Holger Heimann den Übersetzer Stefan Moster portraitiert, der zurzeit mehr zu tun hat, als ihm lieb ist.
"Nach der Buchmesse", teilt uns der WELT-Autor mit, "will Stefan Moster überlegen, wie er sein Berufsleben künftig anders gestalten kann".
In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG versucht Tilman Spreckelsen, das Interesse deutscher Leser an finnischer Literatur auf andere Weise zu schüren: Eine "spezielle historische Beziehung" teilten Finnland und Deutschland, weil Finnland im Zweiten Weltkrieg zeitweilig mit Deutschland verbündet war.
"In Finnland", so zitiert der FAZ-Autor den Schriftsteller Henrik Tikkanen, "ist die Geschichte wie ein Wintertag. Kurz und dunkel, und es ist schwer, die zu erkennen, die ein wenig weiter weg sind".
Die Literatur gedeiht unter diesen Bedingungen aber offenbar prächtig: Gegen Geschichtsklitterung und Lüge, so der FAZ-Autor,
"werden zurzeit in Finnland Bücher geschrieben, die ihresgleichen suchen. Als Gastgeschenk haben sie gerade den deutschen Lesern viel zu sagen".
Neues aus Brasilien
Vom letztjährigen Partnerland der Buchmesse Brasilien hat man ein Jahr später vielleicht nicht mehr allzu viel in Erinnerung, was aber nicht der Grund gewesen sein dürfte, weshalb die TAZ einen langen Artikel einem brasilianischen Autor widmet, dem Superbestsellerautor Paulo Coelho nämlich. Ein"sehr schlechter Roman" sei dessen jüngstes Buch „Untreue“, so Angela Leinens ernstes, wenngleich wenig überraschendes Urteil, und das liege nicht nur an der gewohnt schlichten Motivationscoach-Prosa. Auch "Hardcore-Coelho-Fans" warnt die TAZ-Rezensentin vor Enttäuschung, denn "schlichte optimistische Botschaften gelingen Coelho dieses Mal nicht".
Das liege vor allem an dem "Frauenbild", das er in Gestalt seiner Hauptfigur "völlig ungebrochen" vermittle. "Es könne nur Coelhos Sexfantasien zu verdanken sein, dass seine Hauptfigur, obwohl sie während des Aktes nur Schmerz, keine Lust empfindet, immer mehr davon will."
Ob Coelho "seinen Millionen Lesern wirklich sagen" (wolle), dass frustrierte Frauen nur mal richtig rangenommen werden wollen"?
Bernhard Schlink enttäuscht die NZZ
An dieser Stelle würden wir jetzt noch gern auf den ebenfalls sehr erfolgreichen Autor Bernhard Schlink eingehen, dessen neuen Roman „Die Frau auf der Treppe“ die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG "ein masslos enttäuschendes Buch" nennt, "kaum mehr als eine verkitschte Seifenoper".
Aber dann hätten wir keine Zeit mehr für den Feuilletonaufmacher der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, den der ehemalige Literaturlektor Daniel Genis geschrieben hat, und zwar über seine fünf Raubüberfälle, seine Heroinsucht, seine zehn Jahre im US-Gefängnis und vor allem über seine dortigen Lektüreerlebnisse.
"In gewisser Weise war es der vollendete Luxus", kokettiert der fröhliche Ex-Knacki. "1046 Bücher" habe er im Gefängnis gelesen, Dostojewski und Thomas Mann, "mit dem ich wirklich eine Liebesaffäre hatte", und die gesamte „Suche nach der verlorenen Zeit“. Wirklich Spaß gemacht hat uns folgende Geschichte: Inspiriert von „Doktor Faustus“ und
"angeödet von Leuten, die von mir Kaffee und Zigaretten haben wollten, verkaufte ich ihnen diese Dinge um ihre Seelen. Fünf Männer unterschrieben Verträge mit mir, in denen sie ihre unsterblichen Seelen für eine Tasse Kaffee eintauschten. Wir verstanden das als Witz, die Justizbeamten leider nicht. Ich wurde ´unerlaubter Geschäfte` für schuldig befunden und für 90 Tage mit einem Verrückten in Isolationshaft gesteckt".
Diese humorlose US-Justiz. Vielleicht steckt doch mehr Gerechtigkeit in ihr, als man so glaubt…
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