Nikolaus im Flüchtlingsheim

Hausverbot für Heilige? In den Feuilletons geht es unter anderem darum, ob der Nikolaus auch die vorwiegend muslimischen Kinder in den Flüchtlingsheimen besuchen sollte.
"Jedenfalls kommt eine sehr eigenartige Zeit auf uns zu", glaubt der französische Musiker Bertrand Burgalat, den die Tageszeitung TAZ auf einer ganzen Seite vorstellt. Elise Craton traf Burgalat in einem Café in Kreuzberg in Berlin, um mit ihm über dessen Label Tricatel zu sprechen, das gerade sein 20-jähriges Jubiläum feiert. Einerseits wirkt der Künstler gelassen, wenn er zu den Pariser Anschlägen im November sagt:
"In solchen Momenten muss man aufpassen, nicht zu narzisstisch zu sein und alles auf sich zu beziehen."
Was den 1963 auf Korsika geborenen Burgalat hingegen beunruhigt, sind "die Konformisten, die nun anfangen, reaktionäre Reden zu halten, die einen vor zehn Jahren noch hätten schaudern lassen". Gegen all die Bedrängnisse von außen versuche er vor allem "in seinem eigenen musikalischen Metier, die Standards von Offenheit, Austausch und Neugierde hochzuhalten".
Als Labelbetreiber trage er Verantwortung für "seine" Künstler. Vielfalt hält er für wichtig, denn ein Label sei wie eine mensch-liche Gemeinschaft. Und so bleibe die stilistische Vielfalt auf Tricatel hoch. Die aktuelle Krise im Musikgeschäft erlebt Burgalat relativ gelassen, weil wir schon immer Krise hatten! Und wir gelernt haben, irgendwie zu überleben, sagt er. Für seine Jubiläumskompilation wagte er ein Experiment: Fünf Tage lang lud er Musiker und Musikerinnen ins Studio zur augenblicklichen Komposition und kollektiven Improvisation. Das Ergebnis sind elf wunderbare Songs unter dem Titel RSVP, urteilt Elise Craton. Die Abkürzung steht für "Bitte antworten Sie" bzw. für Repondez s'il vous plait.
"Nichts integriert besser als der Arbeitsmarkt"
In der Tageszeitung DIE WELT entwickelt Ulf Poschardt Gedanken für eine glückende Integration der massiv einwandernden Flüchtlinge. "Nichts integriert besser als der Arbeitsmarkt", schreibt er und kritisiert:
"In den Flüchtlingen werden Risiken vermutet, als Hoffnung erscheinen sie zunehmend weniger. Dies ist nicht nur der reaktionären Einfalt populistischer Rechter zu verdanken, sondern vor allem einer mangelnden ökonomischen Perspektive dieser Art von Zuwanderung."
"Sie muss", so meint der Autor, "in funktionierende Bahnen gezwungen werden, die den Bedürfnissen unserer Volkswirtschaft dienen." Er mahnt an: "Das Asylrecht wurde verschärft, die Bauvorschriften entschärft, aber die wichtigsten Voraussetzungen sind ausgeblieben: eine Deregulierung des Arbeitsmarktes, insbesondere für schlecht oder total unqualifizierte Zuwanderer."
"Integration kann erst beginnen", so rät er, "wenn das Streben nach Glück dieser oft todesmutigen Menschen erste Schritte in die kapitalistische Ordnung unserer freien Gesellschaft findet." Deswegen hält er es "für symbolisch richtig, wenn Andrea Nahles 100.000 Ein-Euro-Jobs schafft, um Flüchtlingen die Möglichkeit einzuräumen, "bezahlt" die Ehrenamtlichen zu entlasten."
Der Bischofsstab soll vor dem Zelt bleiben
In der BERLINER ZEITUNG stellt Nicolaus Bernau eine vielleicht nebensächliche aber zugleich wichtige Frage: Darf der Heilige Nikolaus, auf den sich die Kinder hierzulande an diesem Sonntag freuen, auch in Flüchtlingslagern seine Rolle spielen, in denen die meisten Bewohner Muslime sind? Geht gar nicht, rufen die einen; Pegidaisten der Republik sehen dagegen das Abendland in Gefahr, wenn das ausbleibt, denn "die" sollen sich gefälligst an den europäischen Wert der Glaubensvielfalt anpassen, heißt es da. Bernau informiert: Die Sunniten Nordafrikas, Indiens oder Indonesiens, die Schiiten im Iran, in Irak und in Zentralasien oder der im Osmanischen Reich einflussreiche Sufismus pflegen hingegen lustvoll feiernd ihre "Heiligen".
"Auch wegen solcher Traditionen können muslimische Kinder begeistert bei Johannisfeiern oder Sankt-Martins-Umzügen mitmachen. Die Forderung, diese zum religiös keimfreien "Lichterumzug" zu machen, kam unseres Wissens nicht von islamischer Seite",
erinnert Bernau. Berechtigt hingegen ist die Frage: "Wer könnte in unserer Zeit vorbildlicher sein als jener Heilige, der sein ererbtes Vermögen den Armen gab?" Wenn es um Kinderlachen geht, soll der Mann mit dem Bart halt seinen Bischofsstab an der Zelttür lassen.