Aus den Feuilletons

Nicht überall ist Feiertag

Fronleichnams-Gottesdienst in der Sankt Michael Kirche in Seehausen am Staffelsee (Bayern).
Fronleichnams-Gottesdienst in der Sankt Michael Kirche in Seehausen am Staffelsee (Bayern). © picture alliance / dpa / Peter Kneffel
Von Gregor Sander · 18.06.2014
Deutschland ist am Donnerstag mal wieder zweigeteilt in Protestanten und Katholiken. Gefeiert wird in den katholischen Regionen der Fronleichnam, und wer da nicht weiß, was da eigentlich gefeiert wird, dem hilft Nicolaus Bernau in der "Berliner Zeitung".
"Der Augustinernonne Juliana von Lüttich erschien um 1209 mehrmals Jesus selbst in Visionen, erzählt die Legende. Er forderte ein Fest, um die Menschen daran zu erinnern, dass sich durch die Zeremonie am Altar Brot und Wein in den realen Leib Christi verwandeln. Wir befinden uns in einer Zeit heftigster Glaubenskämpfe darum, was rational und was biblisch begründbar im Christentum ist. Julianas Visionen bestätigten die mystischen Lehren der römischen Kirche über die Bedeutung des Altaropfers sowie den Status der Priesterschaft, die beanspruchte, allein dies Opfer formgerecht vollziehen zu können. Am 11. August 1264 erhob der aus Lüttich stammende Papst Urban IV. das Festum corporis Christi zum kirchlichen Hochfest."
Doch dieses Fest passte einem ganz und gar nicht:
"Martin Luther war wie so oft grob: 1527 bezeichnete er Fronleicham als 'allerschädlichstes Jahresfest'. Dieses 'Hochfest des Leibes und Blutes Christi', wie es offiziell heißt, das so gar keine biblische Begründung habe, gehöre als Götzendienst abgeschafft."
Die BERLINER ZEITUNG dürfte in der Mehrzahl von Protestanten und Atheisten gelesen werden und denen empfiehlt Nicolaus Bernau Fronleichnam auch als politisches Fest:
"Nazis und Kommunisten verboten die Prozessionen immer wieder. Es überlebte alle Anfeindungen, auch wegen seines Behauptungscharakters: Wer sich heute Abend um 18 Uhr auf dem Gendarmenmarkt mit Kardinal Woelki trifft, trotz Fußball und Sonnenschein, demonstriert auch für das Recht der Minderheiten, öffentlich zu sein."
Legendäre Interviews
Die Interviews der amerikanischen Literaturzeitschrift "The Paris Review" sind legendär und einige davon sind nun als Buch erschienen. Frank Schäfer von der TAZ hat sie begeistert gelesen:
"Jorge Luis Borges erzählt in einem langem Interview in der Paris Review von seiner Zusammenarbeit mit seinem Schriftstellerfreund Adolfo Bioy Casares. Was dabei herauskomme, unterscheide sich 'ziemlich von Bioy Casares' und meinem Zeug, selbst die Witze sind anders. Also haben wir beide gemeinsam eine Art dritte Person erschaffen'."
Die Interviewsammlung der "Paris Review" ist bereits der zweite Band, der in der Edition Weltkiosk erscheint.
Erhellendes hat Frank Schäfer auch von Raymond Carver gelesen, wenn dieser das Verhältnis zu seinem Lektor Gordon Lish beschreibt:
"'Mindestens einmal die Woche lud er mich zum Essen ein. Er aß selber nichts, er kochte nur etwas für mich und lungerte am Tisch herum und sah mir beim Essen zu. Wie Sie sich vorstellen können, machte mich das nervös. Es endete immer damit, dass ich etwas auf dem Teller ließ und er es aß.' Was für eine Metapher für den Lektor, der sich bekanntlich ziemlich an Carvers Texten zu schaffen machte, der nachträglich alles wegputzte, was der Autor nicht mehr schaffte."
Literatur in der Kirche
Auch wenn es in den evangelischen Regionen keinen Fronleichnam gibt, darf dort trotzdem gefeiert werden, wie die Tageszeitung DIE WELT berichtet:
"Der Gottesdienstpreis der evangelischen Karl-Bernhard-Ritter-Stiftung geht in diesem Jahr nach Bielefeld. Ausgezeichnet wird ein Gottesdienst in der Stephanuskirche, der den Roman 'Erklärt Pereira' von Antonio Tabucchi als literarische Vorlage verwendet hat."
Im Roman "Erklärt Pereira" erzählt Tabucchi von Anpassung und Widerstand im faschistischen Portugal der 30er-Jahre. Seit zehn Jahren werden literarische Gottesdienste in der Stephanuskirche durchgeführt. Mit 2500 Euro ist dieser Gottesdienstpreis dotiert und die Jury begründet ihn so:
"Zwischen biblischen Lesungen, Abschnitten aus dem Roman und theologischen Entwürfen entsteht ein lebendiger und anregender Dialog."