Aus den Feuilletons

Murakami kennt den Mörder auch nicht

Von Gregor Sander · 08.01.2014
In der "Zeit" spricht der japanische Autor Haruki Murakami über die zwei Welten, in denen er lebt – während Thomas Steinfeld in der "SZ" seine generellen Zweifel am Sinn von Schriftstellerinterviews äußert.
Der neue Roman von Haruki Murakami „Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“ wird von Ronald Düker in der Wochenzeitung DIE ZEIT als eine
"ziemlich realistische Geschichte"
beschrieben. Herr Tazaki wird im Alter von dreißig Jahren offenbar grundlos von seinen vier besten Freunden verlassen und fragt sich warum. Und dann gibt es da noch einen mysteriösen Mord.
"Ich weiß selbst nicht, wer diese Frau erwürgt hat",
bekennt Murakami im Interview.
"Wirklich, keine Ahnung. Ich weiß nur, dass der Mord für diese Geschichte unbedingt nötig war."
Wer nun enttäuscht ist, dass nicht einmal der Autor den Mörder kennt, dem gibt Murakami Einblick in seinen Schreibprozess.
"Ich habe wieder diese Brise gespürt. Ich empfange Nachrichten von der anderen Seite."
Für Ronald Düker ergibt sich aus dieser Antwort die Frage:
"Sind Sie religiös?",
die Murakami wie folgt beantwortet:
"Ich bin nicht religiös. Ich glaube nur an die Vorstellungskraft. Und daran, dass es nicht nur eine Realität gibt. Die wirkliche Welt und eine andere, irreale Welt bestehen zugleich, sie hängen ganz eng miteinander zusammen. Manchmal vermischen sie sich. Und wenn ich es will, wenn ich mich stark konzentriere, kann ich die Seiten wechseln."
Vielleicht sind es Antworten wie diese, die Thomas Steinfeld von der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG am generellen Sinn solcher Schriftstellerinterviews zweifeln lassen:
"Tatsächlich lässt ein Interview, wenn es denn dem Werk gilt, dieses in einem schrägen Licht erscheinen: Denn wenn ihm der Autor erläuternd zur Seite treten muss, wenn es also von vornherein des Kommentars bedarf, dann kann ja seine Qualität als Kunstwerk und Geschichte nicht evident sein, zumindest nicht für einen großen Teil der Leser."
Dann versuchen wir es an dieser Stelle eben mit einem Verleger-Interview. Beim Hanser Verlag in München hat jetzt Jo Lendle die Geschäfte von Michael Krüger übernommen und erklärt nun in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, was das bedeutet:
"Michael Krüger kann man nicht ersetzen. Auf die ihm eigene Art ist er vollkommen unersetzlich. Darauf hat er ja selbst hingewiesen – und damit absolut Recht. Zum Glück ist die Welt der Literatur bekannt für ihre Liebe zu paradoxen, überraschenden Lösungen. Man kann ihm nicht nachfolgen und folgt ihm doch nach. Indem man aus einer anderen Richtung aufs gleiche Ziel zuläuft. Wenn ich versuchen würde, wie Krüger, Siegfried Unseld oder Heinrich Ledig-Rowohlt daherzukommen, wäre ich ein Papagei und gehörte in den Zoo."
Dass er dort nicht hingehört, macht Lendle im FAZ-Interview schnell klar. Weniger Krimis werde es in den verschiedenen Häusern des Hanser-Verlages geben und die Kräfte bei den Sachbüchern wolle man bündeln. Was auch immer das für die Verlage Deuticke, Zsolnay oder Nagel und Kimche genau bedeutet, konkret wird Lendle bei einem anderen Vorhaben im ehrwürdigen Hanser Verlag:
"Im aktuellen Frühjahrsprogramm sind von 29 Autoren 27 Männer. Da sollte sich ein Hauch Balance hineinbringen lassen."
In den USA hat sich die American Dialect Society bei der Wahl zum Wort des Jahres für ein ganz altes Wort entschieden, wie Matthias Heine in der Tageszeitung DIE WELT berichtet:
„Because“ („weil“) errang geradezu einen Erdrutschsieg, 127 von 175 Stimmen entfielen auf die Konjunktion. Im vorigen Jahr hatten sich die Linguisten noch für ein Zeitgeistphänomen wie 'hashtag' entschieden."
Die Entscheidung für 'Because' lässt sich mit einer Verschiebung im Gebrauch erklären. Immer häufiger werde das Wort nur noch mit einem Substantiv oder einem Adjektiv zusammen benutzt:
"Ben Zimmer, der Vorsitzende des Neue-Wörter-Komitees der American Dialect Society, erklärt es der 'New York Times': Man sehe jetzt immer öfter knappe Begründungen wie 'because science' ('weil Wissenschaft'). Auch könne man beispielsweise die Teilnahme an einer Party absagen: 'because tired' ('weil müde')."
Diesem Trend wollen auch wir uns anschließen: Because end.