Aus den Feuilletons

Menschliche Nähe auf der Verkehrsinsel

Demonstranten der "Gelbwesten" am 8. Dezember in Toulouse
Anhänger der Gelbwesten-Protestbewegung haben auf Verkehrsinseln Kaffeeküchen eingerichtet und menschliche Nähe gefunden, liest man in der "SZ". © imago / Pierre Berthuel / LexPictorium
Von Klaus Pokatzky · 10.01.2019
Vom Kleinunternehmer über Studenten bis zum Rentner erleben die Anhänger der Gelbwestenbewegung auf Verkehrskreiseln eine neue Art des Zusammenseins jenseits von Facebook, sagt die "Süddeutsche Zeitung". Die "Welt" will dagegen Internet intravenös.
"Die Republik zittert vor Aufregung", regt uns die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG auf. "Helene Fischer trifft auf den Schlagerstar und Moderator Florian Silbereisen, mit dem sie zehn Jahre zusammen war", schreibt Daniel Haas über ein Wiedersehen im Fernsehen. "Das Saxophon ist Instrument des Jahres", beruhigt uns da glücklicherweise der Berliner TAGESSPIEGEL. "Der Deutsche Musikrat kürt seit 2008 das ‚Instrument des Jahres‘", erläutert Therese Mausbach das wirklich Wichtige. "Auf der Suche nach einer für Militärorchester nutzbaren Freiluft-Alternative zu Streichern entwickelte der belgische Klarinettist Adolphe Sax (1814–1854) das klangvolle Blasinstrument und gab ihm seinen Namen." Wir sagen Glückwunsch: Lieber Saxophon als Helene Fischer.

Russland als Neuauflage von Orwells Dystopie

"Viele liberale Intellektuelle sind in den letzten Jahren aus Russland emigriert." Das steht in einem ernsten Beitrag der NEUEN ZÜRCHER. "Es gibt auch Künstler, die in einem Halbexil leben und viel reisen", sagt die ukrainische Schriftstellerin Oksana Sabuschko im Interview. "Wir sehen einen neuen Totalitarismus, der sich als eine Synthese von Lubjanka und Hollywood präsentiert. Das vom Geheimdienst gesteuerte Russland ist eine Neuauflage von Orwells Dystopie. Die öffentliche Sphäre ist nachhaltig beschädigt. In Russland leben nun bereits vier Generationen unter der Herrschaft des Geheimdienstes."

Nestwärme versus Facebook

Da hätten wir jetzt gerne etwas Aufmunterung. "Nestwärme am Verkehrskreisel", bietet uns auch gleich die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG – mit einem Blick auf die anhaltende Gelbwestenbewegung bei unserem demokratischen Nachbarn Frankreich. "Die Kleinunternehmer, Teilzeitangestellten, Hausfrauen, Arbeitslosen, Studenten und Rentner, die sich in den liebevoll gezimmerten Verschlägen mit Kaffeeküche und blau-weiß-roter Flagge davor seit zwei Monaten auf den Verkehrskreiseln zusammenfinden, haben eine Form von unmittelbar menschlicher Nähe zueinander gefunden, an die sie in ihrer jeweiligen Vereinsamung gar nicht mehr glaubten." Das schreibt Joseph Hanimann. "An diesen improvisierten Orten des Zusammenseins entdeckten viele eine ungeahnte Nestwärme, wo man Facebook plötzlich vergisst."

Internet intravenös

Das geht aber noch viel radikaler. "Robert Habeck hat seine Konten bei Twitter und Facebook gelöscht", steht in der Tageszeitung DIE WELT. "Wir brauchen nicht weniger Internet. Sondern mehr. Ich will die Digitalisierung intravenös", bekennt sich da Frédéric Schwilden zu seiner Sucht. "Den Mensch treiben zwei Dinge an: Neugier und Sexualität. Und welcher Ort dafür ist besser als das Internet?" Den Menschen treibt manchmal auch eine saubere Sprache an – und welcher Ort ist dafür besser als das Feuilleton? "Ihr wollt keinen digitale Entgiftung", ruft Frédéric Schwilden den Facebook- und Twitter-Verweigerern zu – und meint wahrscheinlich keine digitale Entgiftung. Früher wurden in der WELT die Artikel etwas sorgfältiger redigiert. "Ihr wollt eigentlich eine Pause vom Leben. Und das ist total verständlich. Deswegen saufen Menschen, deswegen rauchen sie Crack." Oder jagen sich zu viel Internet in die Blutbahn.

Mangelnde Medienkompetenz bei den über 65-Jährigen

"Ältere Facebooknutzer sind gutgläubiger", warnt uns die SÜDDEUTSCHE. "Nutzer im Alter von 65 Jahren oder älter teilen ‚fast sieben Mal mehr‘ Artikel von Falschmeldungen verbreitenden Internetadressen als 18- bis 29-Jährige, wie aus einer Studie der Universitäten Princeton und New York hervorgeht." Jung müsste man noch mal sein. "Die Autoren begründeten das Ergebnis mit der mangelnden digitalen Medienkompetenz älterer Menschen sowie mit einem schlechteren Erinnerungsvermögen."
Wovon war noch mal die Rede?
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