Aus den Feuilletons

Männer in dicken Autos

Cadillac Coupe
Cadillac Coupe aus dem Jahr 1959 © imago/imagebroker
Von Paul Stänner  · 21.05.2017
Die Ursache für die kulturelle Krise sei die Moderne, in der sich viele nicht wahrgenommen fühlen, schreibt die "FAZ". Eine Reaktion darauf sei der Rechtspopulismus, der auch das Amerika der weißen Männer in dicken Autos wieder beleben wolle.
Die Feuilletonisten-Zunft schwebt heute in einer Zwischenphase. Eigentlich warten Kritiker und Rezensenten brennend darauf, Donald Trumps Rede über den liberalen Islam zu analysieren. Später erwarten wir von Wikileaks das Protokoll der Aussprache im kleinen Kreis, wo Trump und liberal gesinnte Saudiherrscher darüber plauschen, ob es reicht, Journalisten anzuschnauzen oder ob man sie nicht besser redaktionsweise zur Bastonade antreten lässt.
An diesen Aufregern schreiben die Kollegen noch, heute finden wir die nachdenklichen Themen des Wochenendes.
In der FAZ ist Wolfgang Müller aufgefallen, dass es uns so gut geht wie lange nicht und trotzdem eine wachsende Zahl Menschen redet, als stünde der Untergang bevor. Die Ursache der kulturellen Krise sieht er in der Moderne, von der jeder erwartet hatte, er würde hier als Person anerkannt und wahrgenommen werden.
"In dieser Hinsicht", schreibt Müller, "ist die reale Moderne eine bodenlose Enttäuschung."
Angesichts der kapitalen Kräfte, – er meint wohl: Kräfte des Kapitalismus, gehe dieser Anspruch unter. Eine Reaktion darauf sei der Rechtspopulismus, der so tue, als könne er das Westdeutschland der D-Mark wieder beleben oder das Amerika der weißen Männer in dicken Autos. Heimat wird als etwas Vergangenes begriffen. Müller sieht die Herausforderung der Zukunft darin, Heimat als etwas Zukünftiges zu verstehen. Seine Hoffnung richtet sich auf – Zitat –
"ganz im Sinne der Aufklärer wache Bürger, die das anspruchsvolle Projekt der Moderne in Angriff nehmen".

Schweizer Bergsteieger Ueli Steck - ein Held

Was der Philosoph Dieter Thomä in der Neuen Zürcher Zeitung beschreibt, klingt wie die Präzisierung von Müllers "wachem Bürger". Ausgangspunkt ist Ueli Steck, ein Schweizer Bergsteiger, der vor kurzem ums Leben gekommen ist. War er ein Held? Dieter Thomä sagt "Ja", weil Steck sich mit dem Tod auseinander gesetzt habe. Aber dann stellt er eine Skala der Helden auf, auf der Bergsteiger weit unten rangieren. Weit oben verortet Thomä – Zitat:
"Widerstandskämpfer, die ihr Leben einsetzen, Aufklärer, die für politische Freiheiten kämpfen, aber auch jene Heldinnen und Helden, die nachts in der Bahn eingreifen, wenn eine Frau belästigt oder ein Ausländer angepöbelt wird." Und endet mit dem Satz: "Unglücklich das Land, das keine Helden hat."

68er Revolte während des Festivals in Cannes

Cannes erinnert an einen alten Helden. Es gibt einen Film über Jean-Luc Godard, der in der 68er Revolte das Festival sprengte. Der Film wird übereinstimmend als wenig interessant beurteilt, aber Hanns-Georg Rodek kommt in der WELT einem Zeitenwechsel auf die Spur: Netflix ist mit zwei Werken, die nur im Streaming gezeigt werden, vertreten. Filmleute würden behaupten, Netflix werde alles platt machen und auf den Trümmern eine absolute Herrschaft errichten, resümiert Rodek und fügt hinzu:
"jeder, mit dem man spricht, unterschreibt diese Analyse". Damit wäre Netflix weitaus revolutionärer, als der ‚68er Godard je hatte hoffen dürfen.

Politik als tägliche Reality-Show

Wir enden mit bunten Bildern: Kevin Spacey, Darsteller des intriganten Präsidenten Underwood in der US-Serie "House of Cards", hält die tatsächliche Politik für eine Reality-Show. Wer kann das beurteilen, wenn nicht er? "Kaum ein Tag vergeht", sagt Spacey, "da du nicht mit Staunen auf die Nachrichten schaust."
Wenn es Ihnen auch so ging, dürfen sie sich schon auf die Rezensionen der Reality Show von morgen freuen.
Mit FAZ-Müller und NZZ-Thomä wünsche ich uns allen: Bleiben Sie ein "wacher Bürger " oder "sogar ein Held" und machen Sie unser Land glücklich.
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