Aus den Feuilletons

Macht Krimis kürzer!

Eine Szene aus "Der Tatort-Reiniger" mit Bjarne Mädel
"Der Tatortreiniger" mit Bjarne Mädel hat mit 25 Minuten genau die richtige Länge, sagt die WELT © NDR/Thorsten Jander
Von Gregor Sander · 29.11.2017
Die Kulturseiten der Zeitungen hadern mit den Zuständen: Die Berlinale zu langweilig, die Documenta zu pleite und die Krimis zu lang. Aber es gibt nicht nur Kritik, auch Lösungen sind im Angebot.
"Und wie geht es jetzt weiter?",
fragt Katja Nicodemus in der Wochenzeitung DIE ZEIT und meint den deutschen Film im Allgemeinen und die Berlinale im Besonderen. 79 namhafte Regisseure hatten mit einer Petition an Kulturstaatsministerin Monika Grütters um Offenheit bei der Suche nach der neuen Berlinale Leitung gebeten. Verstanden wurde dies auch als Kritik am langjährigen Berlinale Chef Dieter Kosslick. Was Dominik Graf nun mehr als bedauert.
"Genau das nervt mich an der deutschen Filmbranche: dieses ›Kopf ab!‹-Geschrei, dieser Mangel an direkter Auseinandersetzung, an Differenzierung – und stattdessen wird dann immer hintenrum draufgehauen. Wir wollten mit der Petition nach vorne blicken, ohne nach hinten zu treten", so Graf.
Andreas Dresen äußerte sich ähnlich. DIE ZEIT hätte nun gern ein Streitgespräch zum Thema geführt, doch die Regisseure kneifen:
"Nach mehreren Mails und Anrufen ist klar, dass sich niemand bereit erklärt, mit Kosslick zu diskutieren. Also besuchen wir den Berlinale-Chef selbst in seinem Büro am Potsdamer Platz."
Natürlich verteidigt Kosslick in diesem Interview sein eigenes Festival und wer will ihm das verdenken. Befriedigend ist das allerdings nicht, und man kann sich am Ende nur Nicodemus‘ Bedauern anschließen.

Es gibt keinen Kino-Diskurs

Weil es hierzulande Meinungen, Positionen, aber schlichtweg keinen Diskurs über das Kino gibt. Da mag die Petition, auch wenn sie in die falsche Umlaufbahn geschossen wurde, ein erster Anfang sein.
Auch um eine andere deutsche Hochkulturinstitution ist es nicht gut bestellt, wie in der TAZ zu lesen ist.
Annette Kulenkampff tritt im nächsten Sommer als Geschäftsführerin der Documenta ab. Für Ingo Arend ist diese Entscheidung allerdings nur:
"Symbolpolitik der vordergründigen Art". Ähnlich wie bei der Berlinale fehlt Arend auch in Kassel eine offene Diskussion und Fehlersuche.
"Die Formel vom "beiderseitigen Einvernehmen" verschleiert natürlich nur die Schuldzuweisung der Mitteilung. Irgendjemand muss ja vor der Wähleröffentlichkeit dingfest gemacht werden für den ominösen Schwund von fünf Millionen Euro Steuergeldern hinter dem Olymp".

Merkel schafft den Absprung nicht

Liest man das Interview von Jan Böhmermann in der ZEIT, dann muss sich in Deutschland sogar ganz oben etwas ändern:
"Dass jemand, der so pragmatisch ist wie die Bundeskanzlerin, das nicht schnallt: Es ist zu spät. Ihr selbst passiert, was sie dem Dicken vorgeworfen hat: Du schaffst den Absprung nicht!"
Also: Die Berlinale zu langweilig, die Documenta zu pleite und die Merkel zu lange? Soll denn nichts bleiben wie es ist? Offensichtlich nicht, denn Elmar Krekeler fordert in der Tageszeitung DIE WELT sogar noch:
"Macht den Krimi kurz!"
Krekeler begibt sich in den Sumpf der deutschen Vorabendfernsehkrimis und hat dort Folgendes festgestellt:
"All die Sokos von Wismar bis Kitzbühel, die entwickeln jetzt vor Weihnachten einen möglicherweise marzipangetriebenen übermäßigen Drang zur Überlänge. In Wismar wird 'Bittere Weihnachten' gefeiert, in Leipzig 'Vaterliebe' betrieben, Christian Berkel, 'Der Kriminalist', sucht 'Esthers Geheimnis'".
Und das alles über 90 Minuten, statt der gewohnten 45. Zuviel des Guten für Krimi-Krekeler, der stattdessen fordert:
"Episoden mit der Länge von 'Tatortreiniger'-Folgen – also 25 Minuten. Man muss an Soko & Co. gar nicht viel ändern. Die Plots können bleiben. Aber die Drehbücher werden von altem 'Derrick'-Muff gereinigt".

Die Lösung: Weniger ist mehr

Weniger ist mehr, vielleicht wäre das ja auch die Lösung für die Berlinale, die Documenta und sogar für die Bundeskanzlerin? Für Böhmermann gilt es auf jeden Fall.
Bleibt nur noch die Frage, wie man sich als Literaturnobelpreisträger fühlt, wenn man schreibt. Orhan Pamuks aktueller Roman heißt "Die rothaariger Frau" und über die Entstehung hat er der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG verraten:
"Wenn ich schreibe, bin ich in keiner frohen Stimmung. Statt oberflächlich glücklich zu sein, empfinde ich mich dann als tiefsinnig und im Einklang mit der Welt."
Was braucht der Mann dann aber um glücklich zu sein?
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