Aus den Feuilletons

Lernen von den Romantikern

04:22 Minuten
Das restaurierte Werk "Mönch am Meer" des Malers Caspar David Friedrichs wird am 21.01.2016 in der Alten Nationalgalerie in Berlin präsentiert.
Caspar David Friedrichs weiter Blick im "Mönch am Meer" lasse die Grenzen des Fassbaren spüren - eine Haltung, die auch junge Klimaaktivisten einnehmen sollten, findet Hanno Rauterberg von der "Zeit". © Britta Pedersen/dpa
Von Gregor Sander |
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Die jungen Klimaaktivisten mit Greta Thunberg an der Spitze könnten von den Romantikern lernen, schreibt "Die Zeit". Und meint damit Caspar David Friedrichs in Öl gebannten weiten Blick, der auch schon seine Zeitgenossen beeindruckte.
Wer hätte gedacht, dass man mit Hilfe des Kirchentages die Zukunft weissagen kann? Die TAZ denkt das, genauer Jan Feddersen tut das in ihr:

"Wer auf Kirchentagen das Publikum auf seine oder ihre Seite bekam, hatte im Leben jenseits des einflussreichsten Glaubens der Nachkriegszeit gute Karten", erklärt Feddersen und versucht an Hand der Gästeliste des ab Mittwoch in Dortmund stattfinden 37. Evangelischen Kirchentages vorauszusehen, was da kommen wird.
Auftreten werden natürlich die beiden Grünen Heilsbringer Habeck und Baerbock, Kevin "Der Reformer" Kühnert von der SPD und Angela Merkel, die ja schon seit einigen Monaten irgendwie nicht mehr von dieser Welt zu sein scheint.

Kirchentagsbesetzung als Orakel für die Zukunft

Wichtiger für Feddersen ist aber, wer fehlt:
"Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz, Paul Ziemiak oder Christian Lindner. Das verheißt für Letztere nichts Gutes: In ihnen scheint das Kirchentagsplangremium keine Zukunft zu sehen – nicht einmal als Diskurs-Antifiguren. Kirchentage sind Get-together der kommenden Entscheider*innen der Republik, und die Aktien der Leute von der Union wie der FDP haben auf Kirchentagen den Preis von Ramschprodukten."

Von den Romantikern lernen

"Amen", möchten man an dieser Stelle laut rufen oder doch lieber: "Was zu beweisen wäre?". Egal, in der Wochenzeitung DIE ZEIT bekommen die Klimaaktivisten einen erstaunlichen Rat von Hanno Rauterberg.
"Was Greta Thunberg von Caspar David Friedrich lernen könnte."
Ja, was denn um Gottes Willen? Rauterberg erkennt im "Mönch am Meer" Parallelen zur heutigen Zeit:
"Es geht Friedrich nicht darum, etwas darzustellen, es geht ihm um den Blick selbst, der so überweit aufgespannt ist, dass er alles im Auge behält, und der doch zugleich die Grenzen des Fassbaren spüren lässt. Von dieser Art Grenzerfahrung waren damals viele erschüttert, Heinrich von Kleist zum Beispiel oder Clemens von Brentano."

Die Schönheit im Schrecken entdecken

Gut, aber was hat das alles mit demonstrierenden Schulschwänzern zu tun?

"Nichts also wäre für die Klimawende produktiver", so Rauterberg, "als es den Romantikern gleichzutun und im Schrecken eine ungeahnte Schönheit aufzutun."

Und dann erkennt der ZEIT-Autor zwar nicht die Blaue Blume auf YouTube, aber immerhin in Rezos blauen Haaren irgendwie eine Verbindung zur Romantik.

"Man muss sich nur das viel debattierte Video des YouTubers Rezo anschauen. Dort sind es nicht die Fakten allein, dort ist es nicht nur die Wahrheit des Untergangs, die ungemein fesselnd wirken. Es ist auch der Spaß an der Inszenierung, es ist das quietschig-derbe Sprechen, es ist die Ästhetik, die aus dem Schrecken ein Faszinosum macht."

Sehnsucht nach einer neue Literatur

In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG wird mal wieder eine neue Literaturrichtung gefordert. Denn Charlotte Krafft moniert:
"Auffällig ist, dass abgesehen von wenigen Ausnahmen derzeit alle spekulative Literatur dystopisch ist, als wäre die Katastrophe unausweichlich und jene Passivität, mit der wir den Ausverkauf unserer Zukunft beobachten, letztlich legitim."

Um das zu ändern, wünscht sich Charlotte Krafft mehr Ironie, aber nicht die herkömmliche 0/8/15-Ironie, "sondern eine romantische Ironie, wie sie Friedrich Schlegel im Sinn hatte: 'In ihr soll alles Scherz und alles Ernst sein, alles treuherzig offen, und alles tief verstellt.'"

Und was soll dabei Neues entstehen, fragt man sich leicht verwirrt und die SZ-Autorin antwortet: "Romantisch ironische oder auch hyperironische Science-Fiction, das wäre eine Science-Fiction, die sich weder ernst noch rhetorisch ironisch gibt."
Vielleicht wird es Zeit, den Feuilletonisten die Romantiker einfach wegzunehmen. Wer weiß, was sie sonst noch damit anrichten?

Kartoffelsuppe mit der Kanzlerin

Bemerkenswert ist in der ZEIT noch ein Interview mit den Zwillingsbrüdern von Tokio-Hotel: Tom und Bill Kaulitz. Es geht ein bisschen um Musik, kein bisschen um Heidi Klum, dafür aber um Angela Merkel:
"Ich bin traurig, wenn ihre Zeit in der Regierung nun endet", sagt Bill und schiebt dann noch hinterher: "Wir würden auch gern mal mit ihr Kartoffelsuppe essen."
Nun kann man von der Kanzlerin ja halten, was man will, aber vielleicht ist das dann doch zu viel verlangt.
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