Aus den Feuilletons

Lachen steckt an

06:21 Minuten
Ein Junge hält sich einen lachenden Pappmund vors Gesicht.
Wer andere anlächelt, wird auch angelächelt. "Die Kraft der Freundlichkeit" nämlich helfe oft mehr als Härte und Aggression, findet die "Zeit". © imago images / Westend61
Von Ulrike Timm · 17.08.2019
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"Der Kraft der Freundlichkeit" widmet sich die "Zeit". "Haben Sie schon mal versucht, nicht zurückzulächeln, wenn jemand Sie anlächelt?", fragt die Zeitung und stellt fest: Es geht nicht. Freundlichkeit steckt also an.
"Nächste Runde im SPD-Casting: Scholz sucht Frau" – Der TAGESSPIEGEL.
"Scholz traut sich". SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Scholz werde zusammen mit einer Frau antreten, vermeldete eine SPD-Sprecherin – nicht der Mann selbst! – wer dies sein könne, blieb zunächst offen.
"Scholz hat nun doch Zeit und kandidiert für den SPD-Vorsitz", witzelt die WELT.
Klar, um Spott ist niemand verlegen, schließlich kommt der Finanzminister mit seinem neuesten Plan wie Kai aus der Kiste. "Scholz will. Die SPD auch?" fragt der TAGESSPIEGEL, die ersten Kommentare gehen eher Richtung "Bitte nicht" - ZEIT-Online. Aber weil die SPD eh schon so daniederliegt wollen wir die Causa nicht groß ausweiten. Liegende tritt man nicht.

Mit Freundlichkeit gegen Aggression

Außerdem beschwört die ZEIT in dieser Woche "die Kraft der Freundlichkeit". Dem wollen wir nachgehen!
"Die Kraft der Freundlichkeit" nämlich helfe oft mehr als Härte und Aggression, auch gegen die politische Spaltung des Landes. Wieso? "Haben Sie schon mal versucht, nicht zurückzulächeln, wenn jemand Sie anlächelt? Nicht zurückzuwinken, wenn jemand Ihnen zuwinkt? Das ist nicht einfach", lesen wir in der ZEIT. Die erschien Mitte der Woche – da wussten wir noch nicht, wie viel Gedrängel es plötzlich um den SPD-Vorsitz geben würde und schauen nun gespannt, wie das wird mit Lächeln und Zurücklächeln zwischen Parteivolk und KandidatInnen.
Und wie es überhaupt so steht um die Freundlichkeit in dieser Woche.
Klimafreundlich arbeiten zwei international renommierte Choreographen, "Sauber abheben" titelt der TAGESSPIEGEL und rühmt Jerome Bel und Tino Sehgal, deren Kunst das Klima achtet – "mit der Bahn nach Japan und Proben per Skype. Vielleicht sind sie ja Vorreiter einer neuen Bewegung, die versucht, Kunst und ökologisches Handeln in Einklang zu bringen." Wär doch gut!

Kritik an Greta

Greta Thunberg hat mit ökologischem Handeln viel zu tun, die Ikone der Klimaschützer macht es sich nicht leicht, sie segelt über den Atlantik und ist womöglich schon ganz seekrank. Dass für ihre klimaneutrale Atlantiküberquerung mehrere Flugreisen von Begleitpersonen nötig sind, hat für viel Feixen gesorgt und für Sturm im Netz!
"Jetzt ist Greta Thunbergs Segeltrip nicht mehr sauber" schilt die WELT. Der französische Philosoph Michel Onfray holt gar mit der ganz großen Keule aus, für ihn ist die junge Frau eine "Silikonpuppe", gesteuert von Erwachsenen. "Greta Thunberg schadet der Vernunft", wettert er in der WELT.
Auch die TAZ, die berechnet hat, dass der Atlantik Törn letztlich klimaschädlicher kommt als Fliegen, sieht das Problem. "Thunberg hat sich in ihren Bemühungen, es allen recht zu machen, verrannt. Ihr Team hat einen Fehler gemacht." Aber die TAZ zieht ein gänzlich anderes Fazit: "Das kann ihr nur guttun – nur Heilige machen keine Fehler." Die Debatte um Thunberg schweife "ins Infantile ab – es war nie vorgesehen, dass sie allein die Welt rettet." Warum etwa sei "die Freiheit selbst in Gefahr, allein wenn diskutiert wird, Konsum zu verteuern?".
Ein Malheur ist die Sache mit den Begleitflügen für Greta Thunbergs Tour ganz sicher, ein großes – aber hat jemand bitte mal die vielen Staatslenker und Weltweisen auf dem Schirm, die im Privatjet nach Davos kommen, um zu verkünden, was sie der Welt alles an Gutem tun wollen? Eine Schippe mehr "Kraft der Freundlichkeit", bitte. Zurück zur TAZ, die ist ganz zufrieden damit, dass "Klimaschutz nun ein Dauerappell" sei und "die Beilage zu jedem verdammten Schnitzel".

Kein Mädchen im Knabenchor

Misstöne aus Berlin, eine Mutter und Anwältin fand es nicht in Ordnung, dass ihre 9-jährige Tochter nicht in einem Knabenchor mitsingen darf, vermutete Diskriminierung und klagte. Das Gericht entschied: Knabenchöre dürfen Knabenchöre bleiben, aus künstlerischen Gründen. Vorab schon hatte die WELT auf die 1.300-jährige Tradition von Knabenchören verwiesen und die SÜDDEUTSCHE polemisch, aber musikalisch prägnant argumentiert: "Mädchen in Knabenchöre zu klagen, das ist so, als würde ein E-Gitarrist um einen Platz bei den Philharmonikern streiten. Das ist denkbar, aber naheliegender wäre natürlich ein Job in einer Rockband." Und weiter: "Dieser spezifische Klang ist bedeutsam für Einrichtungen, die ja nicht einfach irgendwelche Männerbünde sind, sondern Kulturinstitutionen von Rang. Das mag nicht jedem gleich wichtig sein – es ist aber unschätzbar."
Für Musiker war die Entscheidung nur logisch, auch wenn eine zweite Instanz da noch mal ein Ohr drauf haben darf. Unfair bleibt aber, dass Chormädchen ganz generell weniger gefördert werden als Chorjungs - vielleicht könnte man ja eine neue 1.300-jährige Tradition begründen und Mädchenchören freundlich unter die Arme greifen? Klar, es gibt bislang dafür weniger Repertoire, aber da ließe sich ja loslegen, wir bitten KomponistInnen um freundliche Beachtung!

Grönland ist nicht zu verkaufen

Und wechseln zur FRANKFURTER RUNDSCHAU.
"Donald will ein Eis! ein ganz großes Eis" steht da, das Wall Street Journal hatte gemeldet, der amerikanische Präsident erwäge, Grönland zu kaufen. Und während die WELT tatsächlich gleich in die Bütt steigt und kulturhistorisch beflissen belegt, dass das ja an sich nix Neues sei, - "die USA kauften und raubten sich halb Nordamerika" seit der Unabhängigkeitserklärung von 1776 - bekommt Trump von den Grönländern selbst eine freundlich coole Absage: Grönland sei offen für gute Geschäfte, "aber nicht zu verkaufen!", twitterte das in Nuuk ansässige Außenministerium.

Kaffee trinken mit dem Ordnungsamt

"Die Kraft der Freundlichkeit"? - Begegnet uns in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN. Streithähne können sich nämlich ganz unvermittelt und fröhlich vertragen. So wie hier: FAZ-Hausautor Andreas Rossmann hatte sich in Sizilien ein Knöllchen eingehandelt und stritt darum mit dem italienischen Ordnungshüter, bis der Abschlag anbot. "Das gibt es nur in Italien: Strafzettel mit Rabatt!" Ein bisschen erschöpft vom Disput brauchen beide Diskutanten erstmal einen Kaffee. Sagt der sizilianische Polizist zum deutschen Journalisten: "Hier um die Ecke ist eine Bar. Klemm den Strafzettel wieder unter den Scheibenwischer. Ich lade dich ein."
Na bitte. Geht doch.