Aus den Feuilletons

Kritiker rechnen mit der documenta ab

Eines der markantesten Kunstwerke der documenta 14: der Tempel "Parthenon Of Books" der argentinischen Künstlerin Marta Minujin auf dem Friedrichsplatz in Kassel.
Eines der markantesten Kunstwerke der documenta 14: der Tempel "Parthenon Of Books" der argentinischen Künstlerin Marta Minujin auf dem Friedrichsplatz in Kassel. © picture-alliance/dpa
Von Hans von Trotha · 12.09.2017
In ihren Verrissen der documenta 14 in Kassel sind sich die meisten Autoren der Tageszeitungen einig. Voller Abscheu bilanziert die "Welt" das Kunstfestival und die Arbeit des künstlerischen Leiters Adam Szymczyk.
Das Bild, das Swantje Karich nicht mehr aus dem Kopf geht, ist das vom Besuch eines Wirtschaftsprüfers bei der documenta. Auf einer ganzen Seite wird sie aus diesem Anlass in der WELT ihre Abscheu gegen die documeta 14 los. "Und wer räumt das jetzt auf?", überschreibt sie ihren Widerwillen gegen einen Mangel an Ordnung, den auch die Titelillustration (ein Kunstwerk, das einen bunten Haufen darstellt) unterstreicht. Karichs Fazit lautet, Stufe eins - in Anwendung einer sonst meist knapp daneben eingesetzten Metapher:
"Adam Szymczyk und sein Team sind auf dem lokalen Pflaster Kassels aufgeschlagen und haben sich mehr als blutige Knie geholt."
Stufe zwei:
"Die documenta 14 verkörpert ein Grundproblem der Kunstszene, die von sich behauptet, für den kleinen Mann da zu sein, aber gleichzeitig auf immer größeren Eventbühnen tanzt."
Karich moniert "Unverständlichkeit, Arroganz durch fehlende Information, undurchschaubare Konzepte", die ohne den Finanzeklat gar nicht öffentlich diskutiert worden und (Zitat:) "am Ende wieder einmal mit der künstlerischen Freiheit der Kuratoren gerechtfertigt worden (wären). Bei Geld aber hört bekanntlich die Freundschaft auf." Und fängt Swantje Karichs Engagement an.
Prägnanter spitzt es Kolja Reichert in der FAZ zu, aber immerhin im Konjunktiv:
"Das wäre natürlich die ultimative Geste gewesen, die der documenta 14 noch fehlte: Sie hat, statt Ansprüche an die Kunst zu formulieren, Europa für Kolonialismus, Faschismus, die Finanzwirtschaft und deren Folgen moralisch in Haftung genommen. Sie hat das Kunstwerk als autonome, für sich stehende und damit im besten Fall die Welt lokal minimal aus den Angeln hebende Tatsache auf die Rolle des Zeugnisses persönlicher Biographien und unterdrückter Lebensformen reduziert. Und damit letztlich dessen Autonomie für sich selbst beansprucht. Die schlüssigste letzte Handlung wäre es gewesen, zuletzt noch die wunderbare, aus der Erfahrung der Diktatur, des Vernichtungskrieges und des Genozids geborene, weltweit als beispielhaft ausstrahlende zivilisatorische Errungenschaft, die all dies ermöglicht hat, nämlich die documenta selbst, in den Abgrund zu reißen."
Mehr zum Thema