Aus den Feuilletons

Keine Verfassung ist unsterblich

Norbert Lammert steht an einem Rednerpult.
Norbert Lammert eröffnete die Woche der Demokratie in Weimar mit einer beeindruckenden Rede über die Stabilität unseres politischen Systems. © Thomas Müller
Von Adelheid Wedel · 07.02.2019
Der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert hielt in Weimar eine beeindruckende Rede über "unsere liberale Grundlage." Nun ist sie in der "Welt" nachzulesen. Tenor: Die Verfassung "muss täglich mit Leben erfüllt werden."
"Wie stabil ist unsere liberale Grundordnung? Gibt es überhaupt stabile politische Systeme?" Fragen als Teil der Rede, die Norbert Lammert, lange Jahre Präsident des Deutschen Bundestages, kürzlich in Weimar hielt und die in der Freitagsausgabe der Tageszeitung DIE WELT nachzulesen ist. Den Fragen schickt er seine Erkenntnis nach:
"Dass Demokratien jedenfalls keine stabilen, sich selber erhaltenden Systeme sind, dafür gibt es in der Historie hinreichend viele Beispiele - auch und gerade in der deutschen Geschichte und bedauerlicherweise auch in der Gegenwart."
Wir erinnern in diesem Jahr nicht nur an die Weimarer Nationalversammlung und diesen ersten Versuch, in Deutschland eine demokratische Verfassung zu etablieren, sondern wir reden gleichzeitig über den 70. Geburtstag des Grundgesetzes als weiteren Versuch, in Deutschland Demokratie zu praktizieren.
Über Glanz und Elend von 14 Jahren Weimarer Demokratie seien inzwischen ganze Regalmeter an Literatur veröffentlicht, erinnert Lammert, "aber keine Verfassung ist unsterblich", warnt der Autor. "Sie muss täglich mit Leben erfüllt werden."

Menschenrecht auf Flucht

"Was schulden die westlichen Demokratien den Menschen, die bei ihnen Schutz suchen?" Diese Frage stellt Gerald Wagner in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG und zitiert damit den britischen Philosophen David Miller. Wagner berichtet von einer Konferenz in Berlin, die von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Leopoldina ausgerichtet wurde.
Thema "waren normative Kriterien der Migrationspolitik". Die Dramen der Migration fänden derzeit auf offener See statt. "Dort werde um die territoriale Ausdehnung der Schutzrechte für Migranten gerungen", erklärte der Staatsrechtler Daniel Thym. Er fragt: "Wer gewinnt das ‚Katz-und-Maus-Spiel‘ zwischen den NGOs als Agenten der Entgrenzung dieser Rechte und den Staaten als den verzweifelten Hütern der Verfassungsbegründung unseres Identitätsverständnisses?"
Die eingangs gestellte Frage: "Was schulden Demokratien Migranten?" bekommt in der FAZ ihre Antwort in fünf Wörtern: "Die Anerkennung ihres Menschenrechts auf Flucht."

"Schwedische Zustände"

Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG nimmt das Thema auf: "Migranten halten Skandinavien in Atem." Aldo Keel schreibt: "Mit Reportagen über die Ängste der Norweger startete das norwegische Fernsehen ins neue Jahr. ‚Schwedische Zustände‘ hieß die erste Sendung und berichtete über Einwanderungsghettos wie Rosengard bei Malmö, von dessen 22.000 Bewohnern fast neunzig Prozent einen Migrationshintergrund haben. In Schwedens Vorstädten wurden 2018 dreihundert Schießereien registriert. 44 mit tödlichem Ausgang."
Dagegen meldet sich dort deutlich Protest. "Die Mütter der Opfer versammelten sich im November zu einer Demonstration in Stockholm." Berichtet wird von einer Mutter, die sagte: "Wenn man statt von Mord an unseren Kindern lediglich von Schießereien spricht, schwinden Verantwortung und Empathie. Mord bleibt Mord."
Der Autor meldet: "Ihr 15-jähriger Sohn wurde erschossen, als er vor der Haustür eine Zigarette rauchte." Der Reporter im norwegischen Fernsehen beschwichtigt, "noch sei Norwegen von schwedischen Zuständen weit entfernt."

Zum Tod von Rosamunde Pilcher

Die Tagezeitung DIE WELT widmet dem Nachruf auf die "große alte Dame der Lovestory", wie sie Rosamunde Pilcher nennt, fast eine ganze Zeitungsseite. "Lesen soll wie Urlaub sein", hatte die Schriftstellerin einmal gesagt, "und gerade in Deutschland sehen ihre Bücher auch so aus und heißen so: Sommerwind, Blütenzauber, Wilder Thymian", ergänzt Wieland Freund.
In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG klärt Claudia Fromme ein Missverständnis auf: Während deutsche Touristen ihre Romanschauplätze im englischen Cornwall erwanderten, lebte Rosamunde Pilcher längst im schottischen Dundee.
Gleich nach dem Krieg war sie mit ihrem Mann Graham dorthin gezogen. Er starb vor fast zehn Jahren, sie waren 62 Jahre lang verheiratet. "Die große Liebe? Die habe ich nie erlebt", sagte die Pilcher einst im Interview und: "ihr Verhältnis sei immer durch eine ruppige Herzlichkeit geprägt gewesen."
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