Aus den Feuilletons

Keine Sorge vor der Künstlichen Intelligenz

Blaupause für einen roboterhaften vitruvianischen Mann
Blaupause für einen roboterhaften vitruvianischen Mann © imago / Ikon Images
Von Gregor Sander · 16.11.2017
Von Maschinen und Computern, die die Herrschaft übernehmen, sind wir noch weit entfernt: in der "FAZ" geht es um Algorithmen und Sicherheit im Netz. Und in der "SZ" erregt man sich über weibliche Literatur.
"Unsinn verhindern", fordert Jürgen Kaube in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Unter dieser Überschrift nimmt er sich den Oberliberalen Christian Lindner zur Brust, der in derselben Zeitung mehr Digitalisierung in der Schule gefordert hatte. Kaube kontert nüchtern:
"Wer sich von neuester Technik erhofft, was allein eine – ja – Rückbesinnung auf tradierte Verfahren des Erkenntnisgewinns (beispielsweise Lesen, Schreiben, Rechnen, Denken, Experimentieren, Zeichnen) leisten könnte, nährt geradezu die Skepsis gegen den Vorschlag, der neuesten Lehrmitteltechnologie müssten nun bundesweit alle Schulen folgen."

Überlassen wir die Algorithmen unseren Gören

Trotzdem bildet uns die FAZ auch digital weiter, in dem Axel Weidemann ein Interview mit Jewgeni Kasperski führt, dem Gründer des Antivirensoftwareunternehmens Kaspersky Lab. Dem wird immer wieder vorgeworfen mit seiner Software russischen Hackern die Tür zu öffnen, was er natürlich nur schwer widerlegen kann, außer darauf hinzuweisen, dass jegliche Beweise fehlen. Dafür gibt er ganz praktische digitale Tipps:
"Installieren Sie eine anständige Sicherheitssoftware, aktualisieren Sie sowohl diese als auch die ihres Smartphones regelmäßig, denken Sie daran, dass das Gerät immer an ist, auch wenn Sie es ausgeschaltet haben, und trauen Sie im Netz niemandem, den Sie nicht persönlich kennen."
Richtig weit wird man so im Internet vermutlich nicht kommen. Eine ernsthafte Bedrohung stellt die sogenannte Künstliche Intelligenz für den russischen Antivirenspezialisten nicht dar:
"Das, was Sie immer so leichtfertig Künstliche Intelligenz nennen, davon sind wir noch tausend Jahre entfernt. Wir haben einen eigenständig lernenden Algorithmus im Einsatz."

Aber könnte der sich denn nicht verselbstständigen, fragt Weidemann in der FAZ besorgt. Kasperski winkt ab:
"Nein, darüber müssen wir uns aktuell noch nicht den Kopf zerbrechen. Unsere Kinder werden es vielleicht müssen."

Frauenquote in der Seminarliteratur

Wenn wir die Künstliche Intelligenz den Gören überlassen, können wir uns ja um andere Probleme kümmern. Um die Gleichberechtigung der Frau zum Beispiel. Die Universität Lund in Schweden geht da neue Wege. Am politologischen Institut müssen vierzig Prozent der Seminarliteratur von Frauen verfasst sein, was Thomas Steinfeld von der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG in Erregung versetzt:
"Eine rückwirkend beanspruchte Frauenquote bedeutet, dass alle Geschichte eine Spiegelung feministisch geprägter Gegenwart zu sein hat. Sogar die christliche Kirche besaß in der Epoche ihrer absoluten Macht ein Bewusstsein davon, dass es Zeiten gegeben hatte, in der sie noch nicht existierte."
Steinfeld möchte sich nicht um die biologische Bestimmtheit des Menschen kümmern müssen – und sich in aller Freiheit mit dem Wissen, dem Können und vielleicht sogar mit der Eigenart einzelner Menschen beschäftigen. Egal wieviel Autorinnen so in den Seminaren gelesen werden.
"Stattdessen", so jammert er, "wird man immer wieder und immer tiefer in die Natur zurückgestoßen, und es scheint kaum jemand da zu sein, der dieses Verhalten nicht nur als Rückschritt, sondern auch als Erniedrigung wahrnähme."
Natürlich könnte man diese Meinung stark bezweifeln oder man kümmert sich um:
"Die Politisierung der Wurst",
wie es Antje Stahl in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG tut.

In der Wurst ist mehr drin als wir denken

"Drei Jahre lang hat sich Carolien Niebling intensiv mit Anatomie, Geschichte und Produktion der Wurst beschäftigt, und so lustig das klingt, so ernsthaft und gross ist ihr Anliegen."
Und dieses hat die Autorin in das Buch «The Sausage of the Future» gepackt. Dass das viele Fleischessen nicht gut für Mensch und Umwelt ist, weiß ja inzwischen jedes Schulkind, selbst ohne digitale Bildung. Verzichten müssen wir in Zukunft aber trotzdem nicht, denn:
"In Würsten können Insekten – Kakerlaken, Larven, Mehl- oder Seidenwürmer – verarbeitet werden, allerlei Pflanzen- und Kräuterarten wie Seetang, Engelwurz, Brunnenkresse und Brennnesseln. Und natürlich Sonnen- und Kürbiskerne, Sesam- und Weizen- und Reis- und Maiskörner, Erd- und Haselnüsse."
Und Pommes rot-weiß dazu, geht ja vielleicht trotzdem.
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