Aus den Feuilletons

Kein Mitleid für Smombies, niemals!

Ein junger Mann geht mit dem Blick auf sein Smartphone gerichtet.
Bloß nicht auf das "real life" achten: Ein junger Mann lässt sein Smartphone nicht aus den Augen. © picture alliance / dpa / Thalia Engel
Von Hans von Trotha · 02.05.2016
Darf man das? Läuft ein unachtsamer "Smartphone-Zombie" gegen eine Laterne, dürfe man ruhig seine Schadenfreude darüber voll auskosten, meint Jan Kedves in der "SZ" - und erklärt auch warum.
"Donk!" macht es nach der Vorstellung von Jan Kedves, wenn "man einen Smombie dabei (zusieht), wie er auf der Straße gerade auf eine Laterne zuläuft … Donk. Aua. Selbst schuld." Sie wissen nicht, was ein "Smombie" ist? Dabei setzt Kedves den nicht einmal in Anführungszeichen: ein kontrahierter "Smartphone-Zombie", also einer, der im Straßenverkehr mehr auf Whatsapp achtet als auf Ampeln, und wenn er Pech hat – Donk!
"Ja", schreibt Jan Kedves in seinem SÜDDEUTSCHE-Artikel über die "Generation Kopf unten", "die Digitalisierung bringt nicht immer das Beste im Menschen hervor. Aber warum sollte man die Schadenfreude auch nicht auskosten? Der Smombie (…) würde einem das 'Achtung!', das man ihm natürlich freundlich zurufen könnte, wohl ohnehin nicht danken. Man entscheidet sich also dafür, die Szene zu genießen – Donk! – und denkt an all die Male, die man auf dem Bürgersteig schon fluchend in einen Smombie hineinlief."
Das klingt, als befände Kedves sich gerade auf dem Weg vom "Gutmenschen" (in Anführungszeichen) zum "Menschenfeind" (natürlich auch in Anführungszeichen). Den Begriffen geht Lucien Scherrer in der NZZ nach.

Gänsefüßchen-"Alarm" in der FAZ!

"Während 'Gutmensch' als Unwort gilt, wird die Mode, Andersdenkende als 'Menschenfeinde' zu diffamieren, kaum hinterfragt", beklagt er. Nun wird Kedves zum "Menschenfeind" ja erstmal nur beim "Smombi". Während Wolfgang Streeck ganz schön viel Unmut gegen ganz schön viele aufgestaut zu haben scheint, wie der FAZ zu entnehmen ist, wo er zum Beispiel von "Hoflieferanten der Milch der frommen Denkungsart verhängten Denkverbote(n) und … zu ihrer Verteidigung eingesetzten Diffamierungen" im Zuge der Flüchtlingsdebatte spricht.
Unter Einsatz überraschend vieler, bisweilen überraschend verteilter Anführungszeichen versucht er uns das zu erklären, was er, naturgemäß in Anführungszeichen, das "System Merkel" nennt.
"Was vor einiger Zeit als 'Sakralisierung Europas' (in Anführungszeichen) bezeichnet wurde, geht in Deutschland einher mit einer routinemäßigen Exkommunikation von Zweiflern an EWU und EU und ihrer Brandmarkung als 'Euroskeptiker' (Anführungszeichen) oder gar 'Anti-Europäer' (das natürlich erst Recht). Der hier zu grüßende Geßlerhut ist das Wort 'der Kanzlerin' (auch die steht erstaunlicherweise in Gänsefüßchen, der 'Gesslerhut' dafür nicht): 'Scheitert der Euro, so scheitert Europa', mit dem die fehlkonstruierte (teil-)europäische Währung gewissermaßen nachsakralisiert wird."

Der analytische Wille kollidiert mit dem Material

Also, wenn ich da etwas in Anführungszeichen gesetzt hätte, dann "nachsakralisiert". Nicht so Wolfgang Streeck, dem zufolge das Herzstück des "Systems Merkel" "die Herrschaftstechnik der (Anführungszeichen) 'asymmetrischen Demobilisierung' und die Transformation des Amtes des Bundeskanzlers in eine Art persönlicher Präsidentschaft" bildet... "Auch große Teile der deutschen Qualitätspresse (Vorsicht, jetzt kommen wir!), von den öffentlich-rechtlichen Medien nicht zu reden (ach nein, da sind wir erst), haben vergessen, dass es zu den Aufgaben politischer Kommentierung gehört, die von den politischen Maschinen produzierten 'Narrative' (Gänsefüßchen) auf ihre Lokalisierung in den in ihnen unterliegenden Geflechten kollektiver und partikularer Interessen hin zu untersuchen, anstatt sich als Cheerleader (da hat er sie vergessen) einer karitativen Begeisterungswelle zu betätigen … Statt kritischer Analyse erleben wir allzu oft eine psychologisierende Hofberichterstattung, vor- und postmodern zugleich, über die Damaskus-Erlebnisse einer Parteiführerin, die zu solchen, anders als der zum Paulus gewordene Saulus, immer wieder von neuem, sobald es die Lage erfordert, fähig zu sein scheint, von Fukushima über Budapest bis Istanbul."
Donk! Da kollidiert der analytische Wille im Zuge der Beschleunigung irgendwie mit dem Material. Konsequent geht Streeck in den resignierten Wunsch-Modus über: "Man wünscht sich, wohl vergebens, einen Shakespeareschen Sinn für Irrsinn oder auch nur die einfache Fähigkeit zur Unterscheidung von Kitsch und Nicht-Kitsch."
Oder von Metapher und Lage, von Polemik und Analyse, von Empörung und Fakten. Oder, um noch einmal auf Jan Kedves zurückzukommen, von "werweißwo" und "IRL". Sie wissen nicht was IRL ist? Das ist, in Anführungszeichen, der Ort, an dem die Smombies, aber wohl auch manche Feuilleton-Kommentatoren irgendwie nicht sind: "in real life".
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