Aus den Feuilletons

"Kampf zwischen Pest und Cholera"

Ein Polizist steht auf einem Panzer auf dem Taksim-Platz in Istanbul am 17. Juli 2015.
Die politische Führung gibt an, nach dem Putschversuch die Kontrolle wiedererlangt zu haben. © picture alliance/dpa - Marius Becker
Von Ulrike Timm · 17.07.2016
Der gescheiterte Militärputsch in der Türkei beschäftigt auch die Feuilletons. Für Caroline Fetscher im "Tagesspiegel" war sogar ein "Funke Hoffnung" dabei.
"Bei aller Ablehnung des Militärischen, aller Skepsis gegenüber undemokratischem Machtwechsel – ein Funke Hoffnung war dabei. Denn traditionell gilt die türkische Armee, der legendäre 'Staat im Staat', als laizistisch, säkular und aufklärungsnah" schreibt Caroline Fetscher im TAGESSPIEGEL. Was für Zeiten, in denen offenbar nicht wenige einem undemokratischen Gewaltakt toitoitoi wünschen, um eine demokratisch gewählte, aber kaum demokratisch agierende Regierung loszuwerden!
Der Dramatiker Moritz Rinke hat diese Ambivalenz, diesen "Kampf zwischen Pest und Cholera" inmitten seiner türkischen Schwieger-Familie erlebt, er und seine Frau Eylem urlauben gerade in Antalya. In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN schreibt Rinke: Erst wird getanzt – "Ihr könnt doch nicht einen Militärputsch feiern!" – doch schnell setzen Entsetzen, Ernüchterung und Lähmung ein.
Und während Caroline Fetscher im TAGESSPIEGEL eine in allen politischen und gesellschaftlichen Bereichen männerdominierte türkische Gesellschaft als Ursache der Situation ausmacht und die dann doch für überwindbar hält – "Die Emanzipation der längst auch globalisierten Türkei wird nicht aufzuhalten sein" – bleibt Moritz Rinke sehr viel skeptischer. Sein Artikel in der FAZ schließt mit dem typographisch einzeln gesetzten Satz: "Der Präsident nennt den Putsch 'ein Geschenk Gottes'"…

Le Corbusier Häuser auf UNESCO-Liste

Zeitgleich tagte in Istanbul die UNESCO, um Weltkulturerbe zu küren, dazu kam es wegen des Putschversuchs erst einen Tag später. Zwei Le Corbusier Häuser der Stuttgarter Weißenhofsiedlung kamen auf die begehrte Liste. Das feiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, für die die Stuttgarter Siedlung aus den 1920ern heute wieder relevant ist.
Das gekürte Doppelhaus sei "ein Raumsparwunder, wie es in Zeiten von Wohnungsnot und Nachverdichtung wieder gefragt wäre. In den Wohnungen konnte man die Betten tagsüber in einer Art Bettenschrank verschwinden lassen. Corbusier hatte sich dazu von den Nachtzügen inspirieren lassen." Kleine Wohnungen, aber viel Licht und Dachterrassen für alle – Corbusier war seiner Zeit voraus. Vielleicht zu weit. "Das Haus stand lange leer, es galt als 'unvermietbar'", lesen wir. Dreimal musste man Anlauf nehmen für die Auszeichnung, aber manchmal hilft das, jetzt ist sie da.

Regisseur Coppola fördert den Nachwuchs

Auch der berühmte Filmregisseur Francis Ford Coppola hat mehrfach gerüttelt, bevor er Einlass fand. Schräg gegenüber seiner Schule waren Filmstudios, und Coppola – Der Pate, Apocalypse now – rüttelte nicht nur sinnbildlich, sondern ganz real am Zaun. Scheint eine erfolgversprechende Methode zu sein, ein Ex-Bundeskanzler hielt es ebenso. Bei Coppola hatte es andere Folgen, viele Jahre später, als reicher Filmdino, kaufte er das ganze Gelände, und marschierte schnurstracks in seine Schule aus Kindertagen, um die Schüler auf dem Filmgelände herumzuführen und fürs Kino zu begeistern.
Jetzt setzt er noch eins drauf, ein Online-Filmstudio soll Plattform für junge Talente sein, für Diskussion, Ideen und Erstversuche. Eine Kunsthochschule online sozusagen. Coppola will so den Nachwuchs fördern. Steht in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Und auch, dass Francis Ford Coppola, bei allem Altruismus, sein Bildungsportal auch nutzt, um noch ein bisschen Wein aus der eigenen Winzerei und Spaghetti a la Coppola zu vertickern….
Komplett gewinnfrei ist eine Medizinstudenteninitiative, der die TAZ eine ganze Seite mit Bildern widmet. Teddyoperationen will man doch gesehen haben! "Auf Herz, Nieren und Plüsch" prüfen Studenten kranke Schmusetiere, deren Eltern – die Kinder natürlich! – so die Angst vor Ärzten verlieren. Sie stellen ihre Teddies und Stoffelefanten den Medizinern vor, und die werden dann professionell behandelt. Den härtesten Job dabei hat ein Demonstrationsbärchen im OP: "schon sieben Mal musste er sich den Bauch aufschneiden lassen – zum Glück ist dort ein Reißverschluss eingelassen, um die Sache zu erleichtern."
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