Aus den Feuilletons

Kaffee mit Kürbisaroma statt klassischem Espresso in Italien?

Ein leerer Starbucks-Kaffeebecher
Starbucks hat tausende Filialen in der ganzen Welt. Im Espressoland Italien soll es erst jetzt losgehen. © dpa picture alliance / Inga Kjer
Von Ulrike Timm · 06.03.2017
Die italienischen Espressotrinker sind in Aufruhr. Will doch die amerikanische Kaffeekette Starbucks nun den Markt in Rom und anderen Städten erobern. Das rüttelt an der Identität des für seine Kaffee-an-der-Bar-im-Stehen bekannten Konsumenten, meint die "Süddeutsche Zeitung".
Einfach nicht hinfahren, solange Erdogan die Türkei gar nicht langsam, aber sehr sicher, in eine Diktatur umwandelt! Die Linken-Politikerin Katja Kipping regt einen Tourismusboykott an, das wäre dann der "Reflex bewusster Konsumenten auf Urlaubsländer mit undemokratischer Schlagseite", meint die TAZ.
Keine neue Idee, solche Aufrufe gab es schon reichlich, gegen Südafrika zu Apartheidszeiten, gegen Argentinien und Chile, als dort Militärdiktaturen herrschten, und auch schon mal gegen die Türkei - Anfang der 1990er, wegen ihrer Kurdenpolitik. "Selbst als die AfD auf Usedom Spitzenwerte erzielte, wollten viele nicht mehr dorthin reisen." Ob Usedom für Türkei-Urlauber inzwischen wieder eine Alternative ist, lassen wir dahingestellt. Die Tourismusbranche wird bei einem Boykottaufruf jedenfalls nicht mitziehen, beklagt sie doch ohnehin einen Einbruch im Türkeigeschäft um ein gutes Drittel. Und für TAZ-Autorin Edith Kresta gilt ebenfalls: "Strandverzicht ist nichtig", weil er die Falschen trifft, eben die Kellner, Taxifahrer und Souvenirverkäuferinnen.
Allein, bei den verbalen Absonderungen des derzeitigen türkischen Präsidenten kann einem ja auch ganz schlicht die Lust vergehen, sich in seinem Land in der Sonne zu aalen, sei's nun politisch korrekt oder unkorrekt.

FAZ: Wort-zum-Sonntag-Text über Fake News

Alternative Fakten, Fake News oder klar und deutlich: gezielt platzierten Lügen widmen Tabea Rößner und Karl Hahn in der FAZ einen gemeinsamen ausführlichen Artikel. Sie ist medienpolitische Sprecherin von Bündnis90/GRÜNE, er Direktor des Instituts für Medienrecht an der Uni Köln. Gemeinsam überlegen sie, "wie man Lügen am besten bekämpft", und teilen die Auffassung, dass weder eine polemisch als "‘Wahrheitsministerium‘ bezeichnete Behörde auf Bundesebene" noch schärfere Gesetze es wirklich richten können.
"Auch in dieser Hinsicht zeigt sich, dass der freiheitlich-demokratische Staat zum Teil auf Voraussetzungen beruht, der er selbst nicht rechtlich garantieren kann. Insoweit bleibt er auf das kommunikative Ethos der Diskursteilnehmer verwiesen. Die Einsicht in die innere Verpflichtung zur Wahrheit und die Entschlossenheit der Bürgerinnen und Bürger, Fake News mit den Mitteln der Vernunft als Lügen zu entlarven: beides wird dringend benötigt."
Ja. Das ist so richtig wie wohlfeil gesagt, und irgendwie hätte man dem im Wort-zum-Sonntag-Ton geschriebenen Text eine Idee, einen überraschenden Vorschlag gewünscht - schon weil man sich so brav durch all das Bitterdeutsch hindurchgelesen hat. Aber vielleicht ist das auch schlicht zu viel verlangt angesichts der allgemeinen, oft nur wortreich verbrämten Ratlosigkeit gegenüber dem Phänomen Fake News.

Starbucks will Espresso-Land Italien erobern

Pardon, trotzdem brauchen wir nach Lektüre dieses wahren, noblen und auch vieles zusammenfassenden Artikels einen Kaffee, egal zu welcher Tageszeit. In Italien, das erfahren wir aus der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, wird der in Zukunft wohl auch von Starbucks ausgeschenkt. Die Imbisskette plant die Eroberung, Kübel Milchkaffee mit Kürbisaroma zum lang-dran-Süffeln statt Blitz- Espresso an der Bar, das rüttelt an der Identität, an der Italianitá, meint wohl nicht nur Autor Thomas Steinfeld. Die Espresso-Bar als Inbegriff des italienischen Lebensgefühls - wer mal erlebt hat, wie sich eben dort, huschhusch auf einen schnellen Kaffee, Menschen, Stimmen, Meinungen begegnen und wieder verlieren, dem wird ganz wehmütig beim "Kaffeekrieg" - so nennt die Süddeutsche den drohenden Bohnenkonflikt.
Allein, "als vor 30 Jahren die erste Filiale des Unternehmens Mc Donald's in Rom eröffnet werden sollte, am Fuß der Spanischen Treppe, beflügelte das Ereignis die Begründung der Bewegung Slow Food", schreibt Autor Steinfeld. Und überhaupt, ob Two-Shot-Laktosefreier-Karamellkaffee oder Bilderbuchstrand in einer Nicht-Mehr-Demokratie, man muss ja nicht dahin, auch wenn das im großen Weltgefüge wenig nützt, kann man es mit Lessings Nathan halten: Kein Mensch muss müssen!
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