Jung, unbedingt und weiblich
04:22 Minuten
Von Ulrike Timm · 10.07.2019
Sie sind die Hoffnungsträgerinnen unserer Zeit - Greta Thunberg, Emma Gonzales oder Carola Rackete. Die "Zeit" fragt, was ihre Überzeugungskraft ausmacht. Zum Teil auf jeden Fall ihre Gradlinigkeit: Sie machen keine Hinterzimmer-Deals.
"Hat der Feminismus die Ehe kaputt gemacht?" – die Überschrift steht in der WELT, die Antwort folgt postwendend. "Ja. Aber das ist nicht so schlimm." Aha.
Laura Ewert versucht eine "Bestandsaufnahme", und stützt sich dabei vor allem auf das Buch einer schwedischen Autorin, die dazu viele Studien studiert hat, also, dass der Feminismus die Ehe kaputt gemacht hat und warum das aber nicht weiter schlimm ist. Die Antwort fällt erwartbar und relativ zahm aus, verglichen mit der rummsigen Überschrift:
"Die einzige Rettung der heterosexuellen Liebe ist: die gegenseitige und aufrichtige Auseinandersetzung mit Rollenverteilungen in Beziehungen und die Auffrischung dieser."
Also das, was jedes moderne Paar heute eben aushandeln muss und was manchmal klappt und häufig nicht. Soweit so normal. Bloß das mit der "Auffrischung", das hätten wir gerne etwas ausführlicher gehabt. Sei’s drum.
Unruhe wegen Traviata II
Die WELT hat es gerade sowieso nicht so leicht. Der Printbereich bröckelt, die Verkaufszahlen waren schon mal besser. Jetzt will KKR, eine weltweit tätige Beteiligungsgesellschaft aus New York, beim Springer Verlag einsteigen. Das sorgt für Unruhe, das melden mehrere Zeitungen, am ausführlichsten die SÜDDEUTSCHE. Und die greift auch den Namen der Unterfirma von KKR auf, die es wieder finanziell richten soll, "Traviata II". Die Süddeutsche kommentiert den Namen beziehungsreich und süffisant:
"Es ist eine der berühmtesten Opern der Welt: Verdis 'La Traviata' begeistert seit ihrer Erstaufführung 1853, auch wenn am Ende Violetta, die Hauptperson, von der Schwindsucht (später als Tuberkulose bekannt) dahingerafft wird. Ist das etwa eine Anspielung auf die Printtitel von Springer, die auch seit Längerem von der Schwindsucht betroffen sind?"
Die Hoffnungsträgerinnen unserer Zeit
In der ZEIT widmet sich Peter Kümmel den Greta Thunbergs, Carola Racketes und Emma Gonzales’ dieser Welt, die zu Symbolfiguren und Hoffnungsträgerinnen geworden sind. "Weil sie wissen, was sie tun", meint die ZEIT. "Die junge, unbestechliche Frau ist die faszinierende öffentliche Figur dieser Tage. In ihrem Schatten wirken die Potentaten des Planeten wie irrlichternde Kinder."
Der Artikel kommt deutlich nachdenklicher und differenzierter daher, als die bloße These glauben macht. Jung und unbedingt sein, das macht einen Teil der Überzeugungskraft der neuen Ikonen aus – mit unterschiedlichen Konsequenzen. Zitat aus der ZEIT: "Während im Zusammenhang mit der späten europäischen Karriere Ursula von der Leyens viel von der Macht der politischen 'Hinterzimmer' gesprochen wird, ist die Öffentlichkeit fest entschlossen, den jungen Frauen zu glauben, dass sie gar nicht wissen, was ein Hinterzimmer ist."
Die DNA jeder einzelnen Hummel
Sehr scharfe Kurve ins Berliner Naturkundemuseum, dessen Direktor Johannes Vogel mit dem TAGESSPIEGEL über kurzhalsige Okapis, Hummeln und globale Verantwortung spricht – und auch darüber, wie man bei 30 Millionen Objekten die Übersicht behält.
Nur so viel: Das ist verblüffend einfach zu schaffen. Kompliziert wird es, wenn‘s ans Eingemachte geht. Warum etwa muss man von jeder einzelnen Hummel auch noch die DNA erfassen? Antwort des Wissenschaftlers gegenüber dem TAGESSPIEGEL: "Wir leben auf einem Planeten mit einer noch unbestimmten Anzahl von Arten, deren Zusammenspiel dafür sorgt, dass Sie und ich hier stehen. Wenn wir weiter so viele Arten ausrotten, wird es auch uns bald nicht mehr geben."
Und: "Wenn in Afrika die Ernte ausfällt, weil bestimmte Bestäuber-Insekten fehlen, kann man hier in den Sammlungen nachgucken, warum. Von frei zugänglichen, digitalen und enzyklopädischen Sammlungen, von dem Wissen um die Objekte können alle überall in der Welt profitieren."
Zum Schluss nochmal zur WELT, die sich "Yesterday" vornimmt, einen Film zu den Musik-Dinos mit Ewigkeitswert, den Beatles. Wie nämlich wäre eine Welt ohne Beatles? Für WELT-Autor Pilz wie Filmemacher Boyle wohl eine klare Sache: "Möglich, aber sinnlos."