Aus den Feuilletons

Impfreisen für Millionäre

04:20 Minuten
Ansicht leerer Kabinen im Impfzentrum Festhalle Frankfurt am Main.
Covidschutz muss nicht im nüchternen Impfzentrum gespritzt werden: Superreiche können sich jetzt auch im Luxusresort impfen lassen. © AFP / Pool / Boris Roessler
Von Hans von Trotha |
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Zwei Impfungen im Abstand von mehreren Wochen sind für einen Schutz gegen Covid-19 nötig. Ein Reise der besonderen Art bietet nun ein englisches Unternehmen an, berichtet die FAZ: Impfen mit Bespaßung in einer Luxusvilla im Ausland.
"Warum kehrte Nawalny nach Moskau zurück?", fragt Caroline Fetscher im TAGESSPIEGEL. "Nawalny lässt sich, so wirkt das Geschehen, freiwillig kaltstellen, um aufzuheizen. Er opfert sich, oder beweist doch immerhin die Bereitschaft zum Selbstopfer, um bei Anderen deren Grad der Empörung zu steigern."

Nawalnys Rückkehr als Ego-Aufführung

Doch Caroline Fetscher meint auch: "Nüchtern betrachtet, ließe sich Nawalnys Flucht vor der Flucht auch als eine große Ego-Aufführung sehen, die einen Anteil dessen enthält, was Psychologen Grandiosität nennen, als Hinweis auf ein Größen-Selbst – worin er freilich vom Kremlherrscher Vladimir Putin allemal übertroffen wird."
Kerstin Holm erkennt in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG "eine politkünstlerische Megaperformance, bei der das russische Repressionssystem seine inneren Mechanismen und seine stumpfsinnige Grausamkeit offenlegen soll".
"Der offenbar zum Martyrium bereite Nawalny bekämpft jetzt die konkrete russische Machtpyramide, die sich, da der Lebensstandard der Bevölkerungsmehrheit sinkt und der 'unsterbliche Zauberer' Putin an Rückhalt verliert, immer schamloser allein durch nackte Repression verteidigt."

Stress in der Pandemie

Während es bei dieser Reise sehr konkret um Unterdrückung und die Opposition dagegen geht, ist der Gedanke ans Reisen ansonsten vom Coronavirus anscheinend erst ins Reich der Träume und dann in das des Wahnsinns verrückt worden. Ambros Waibel schreibt in der TAZ: "Ich blicke mit Verständnis auf den Mann, der sich, angeblich aus Angst vor einer Ansteckung beim Weiterflug, drei Monate in der 'Sicherheitszone' auf dem Flughafen von Chicago versteckte und nun entdeckt und verurteilt wurde."
Und in der FAZ erzählt Gina Thomas von einer Londoner Firma, die "Impfreisen für Superreiche im Programm" hat: "die Reise- und Lifestyle-Agentur Knightsbridge Circle, die 'außergewöhnliche persönliche Dienste auf unübertroffenem Niveau' erweist", nach Forbes der "wohl exklusivste Conciergedienstleistungsanbieter auf dem Planeten".
Jetzt sei man "Pionier" eines "neuen Luxus-Reise-Impfstoff-Programms. "Die Firma schneidert für geschätzte 40.000 Pfund Impfreisen nach Indien oder in die Vereinigten Arabischen Emirate auf die persönlichen Bedürfnisse der Kunden zu: Drei Wochen verbringen diese dort in einer Luxusvilla zwischen der ersten und der zweiten Dosis."
Die Firma behauptet übrigens, "es gebe keinen Auftrag, den Knightsbridge Circle nicht erfüllen könne". Na ja, außer vielleicht diesen: "Schlammcatchen auf der Titanic".

Untergang der Regierung in Italien

Auch ein FAZ-Titel. Aber das - also ein "Schlammcatchen auf der Titanic" - kann man natürlich nicht wirklich buchen. Es geht da um die italienische Regierung: "Inmitten der Corona-Pandemie", schreibt Karen Krüger, "geht Italiens Regierung unter. Die Wähler sind entsetzt und fasziniert zugleich. Die Ohnmacht, die angesichts der globalen Bedrohung empfunden wurde, ist dem Faszinosum über die Niederträchtigkeiten im Regierungspalast und dessen Hinterzimmern gewichen. Die Kinos und Theater sind geschlossen. Stattdessen gibt es jetzt eine Show aus Rom, die man quasi live mitverfolgt, während die Pandemie täglich Hunderte von Menschen das Leben kostet."
Karen Krüger zitiert die Zeitung "La Repubblica":
"Das hat nichts mit dem Orchester auf der Titanic zu tun, das noch weiterspielt, wenn das Schiff schon den Eisberg gerammt hat: Hier sinkt es, und die Offiziere an Bord prügeln sich, nicht um zu den Rettungsbooten zu gelangen, sondern weil einer von ihnen die Idee hatte, ein Schlammcatchen zu veranstalten."
Wenn man das in der Agentur "Knightsbridge Circle" liest – wer weiß, vielleicht nehmen die "Schlammcatchen auf der Titanic" dann doch in ihr Programm auf.
Wenn es ums Reisen geht, drehen gerade alle hohl. Nach der Geschichte mit dem Mann, der sich am Flughafen versteckt hat, weil er nicht weiterfliegen wollte, fragt Ambros Waibel in seiner TAZ-Kolumne: "Sind wir zu hart, sind wir zu weich?"

Arm, aber hart

Dazu hat Gina Thomas etwas beizutragen, indem sie in ihrer FAZ-Recherche rund um "Knightsbridge Circle" F. Scott Fitzgerald zitiert, der schrieb: Die Superreichen "sind anders als du und ich. Sie besitzen und genießen früh, und das macht etwas mit ihnen, macht sie weich da, wo wir hart sind, und zynisch, da wo wir vertrauensselig sind."
Hemingway, so Gina Thomas, soll Fitzgerald geantwortet haben: Ja, die Superreichen seien tatsächlich anders, nämlich: "Sie haben mehr Geld."
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