Aus den Feuilletons

Houellebecq blickt in die Zukunft

04:16 Minuten
Der französische Schriftsteller Michel Houellebecq schaut mürrisch nach links.
"Ein bisschen schlechter" ist die Zukunft bei Michel Houellebecq. © picture alliance / dpa / Boris Roessler
01.12.2020
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In einem neuen Essayband beschäftigt sich Michel Houellebecq mit der Zukunft. Die "Süddeutsche" verreißt "Ein bisschen schlechter" und attestiert dem Schriftsteller "Einsichten von begrenzter Reichweite".
"Warum ist es immer noch etwas Besonderes, wenn Frauen im Schach gegen Männer gewinnen?", fragt Rudolf Neumaier in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG - und das ist doch mal eine gute Frage.
Animiert durch den Erfolg der Netflix-Serie "Das Damengambit", bei dem ein Waisenmädchen auch gegen Männer gewinnt, recherchierte er an deutschen Brettern: "Die beste deutsche Schachspielerin heißt Elisabeth Pähtz. Sie dominiert die Frauen-Rangliste unangefochten seit 15 Jahren. Im gemischtgeschlechtlichen deutschen Klassement, das 'Standard-Liste Top100' heißt, stehen 99 Männer und eine Frau. Elisabeth Pähtz. Auf Platz 63."

Eine Frau unter hundert Männern

Die internationalen Top 100 sehen nicht besser aus: "Die Chinesin Yifan Hou ist die einzige Frau. Sie hat 85 Männer vor sich." Neumaier erzählt von der bisher erfolgreichsten Schachspielerin, der Ungarin Judit Polgár, die von ihrem Vater unterrichtet wurde:
"Mit fünf Jahren begann sie das Spiel zu lernen, mit 17 Jahren besiegte Judit Polgár 1993 den vormaligen Weltmeister Anatoli Karpow im Schnellschach, neun Jahre später musste sich ihr einer der besten Schachspieler aller Zeiten, Garri Kasparow, geschlagen geben."
Die beste internationale Platzierung der Ungarin war Platz acht. Wo also liegt das Problem? Neben deutlich niedrigeren Preisgeldern und fehlender Mädchenförderung werden die Argumente in der SZ dann leider schwammig: "'Bis sie 13 oder 14 sind, spielen Mädchen mindestens so stark im Schach wie Jungs', sagt die bayerische Spitzenspielerin Anita Stangl, 'aber dann kommen andere Interessen dazwischen.' Ein Gasthaus-Hinterzimmer sei kein Ort für Mädchen, und der Ehrgeiz, sich fünf Stunden lang an einem Biertisch den Kopf zu zerbrechen, hält sich in Grenzen." Warum machen das dann aber die Jungen?

Einsam, ohne es zu wissen

Wir bitten um Wiedervorlage des Themas und lassen uns jetzt von Michel Houellebecq die Zukunft vorrausagen: "Einsame Menschen werden sich in halb eingerichteten Wohnungen vor Computern betrinken, ihre sozialen Kontakte werden langsam erlöschen, und sie werden nicht einmal wissen, dass sie einsam sind. Die Zukunft wird 'ein bisschen schlechter' als die Gegenwart sein, aber sie wird sich nicht grundsätzlich vom Bekannten unterscheiden."
Zu lesen sind diese grauen Worte im neuen Essayband des Franzosen. Thomas Steinfeld urteilt in der SZ: "Michel Houellebecq ist weder tiefsinnig noch kompliziert, er schreibt nicht ambitioniert, und seine analytischen Einsichten sind von begrenzter Reichweite."
Auch Gerrit Bartels Kritik im Berliner TAGESSPIEGEL liest sich nicht so, als könnte man ohne Houellebecqs Gedanken nicht weiter existieren:
"Vieles bleibt wie so oft bei Houellebecq in der Schwebe, klingt vage. Man weiß nicht immer, wo die Grenzen zwischen Ironie und einem moralischen Rigorismus verlaufen. Einmal gesteht er, 'in praktischer Hinsicht ähnlich uneindeutig wie meine Figuren zu sein'", so Bartels.

Spoileralarm in der taz

Ein zugeschlagenes Buch führt allerdings häufig zum Anschalten des Fernsehers. Aber das muss ja nichts Schlechtes sein. Peter Burkhardt hat den am Mittwoch in der ARD startenden Krimi-Dreiteiler "Das Geheimnis des Totenwaldes" für die SZ vorab gesehen und zwar als "bestens besetztes Meisterstück".
Erzählt wird die Geschichte zweier unaufgeklärter Morde aus dem Jahre 1989 und das gleichzeitige Verschwinden der Schwester des Hamburger LKA-Chefs, gespielt von Matthias Brandt. "Klar, die Amerikaner des Bezahlsenders HBO können so was – die ARD kann 'Tatort' und 'Polizeiruf'", frotzelt Jens Müller in der taz, um dann leider nur die Handlung nachzuerzählen und sogar noch den Mörder zu spoilern.
Da halten wir uns doch lieber an die Begeisterung von Elmar Krekeler in der Tageszeitung DIE WELT: "So ist 'Das Geheimnis des Totenwaldes' eben gerade kein Eventfernsehen geworden, als das es von der ARD beworben wird. Sondern ein Fernsehereignis, das – inszeniert von Sven Bohse – mit extremer Ruhe, fabelhaft dichter Bildsprache und virtuos gehaltener Spannung sämtliche bisher versteckten Ebenen des Falls ans Licht bringt."
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