Aus den Feuilletons

Hollywoods meistverkannte Schauspielerin

04:16 Minuten
Doris Day sitzt um 1950 an einer Nähmaschine.
Doris Day habe in vielen Filmen perfekt das amerikanische Frauenideal der Fünfziger Jahre verkörpert, schreibt die "SZ". Jetzt ist die Schauspielerin im Alter von 97 Jahren gestorben. © imago/MSNGlobe/MediaPunch
Von Tobias Wenzel |
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Wie sehr sich die Schauspielerin Doris Day in ihre Rollen hineinversetzte, dokumentiert die "FAZ" im Nachruf für die verstorbene US-Filmikone. "Welt"-Autor Manuel Brug hätte sich für sie vielfältigere Charaktere in ernsthafteren Filmen gewünscht.
"Mit mir nicht, meine Herren", so titelt die SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG zum Tod von Doris Day. "Doris Day verkörpert so perfekt und makellos das amerikanische Frauenideal der Fünfziger, dass sie es karikiert und transzendiert", schreibt Fritz Göttler und bescheinigt ihr eine "plissierte", also facettenreiche Karriere.
Sein Kollege Manuel Brug von der WELT bezeichnet Doris Day als "Ikone der Popkultur" und "Filmweltseltenheit":
"Als eine von Hollywoods am meisten verkannten Schauspielerinnen war Doris Day mehr als eine muffige Blendax-Blondine. Doch was hat man ihr nicht alles angetan! Sie störte als längst tot geglaubte Ehefrau, war Werbe-Ikone für die Happy-Seife und hatte meist auch noch Eidotter an den Puschen, Ketchup, Zitronenkuchen, Ruß oder rote Pusteln im Gesicht oder auf den bis heute nach ihr benannten pastellbunten Doris-Day-Kostümen. Dabei hatte sie diese Einengung auf die stereotypen Eiserne-Jungfrau-Komödien gar nicht nötig."

Einsatz bis zum Umfallen

Day, berichtet Julia Bähr in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, brillierte zwar auch außerhalb von Komödien, Thriller nahmen sie aber zu sehr mit:
"In 'Mitternachtsspitzen' spielt sie eine frischverheiratete Frau, die ständig Morddrohungen via Telefon bekommt und darüber völlig verzweifelt. Ihre nackte Angst ist kaum mit anzusehen. Tatsächlich erlitt Doris Day während der Dreharbeiten nach einer Szene einen Zusammenbruch, dessentwegen die Produktion für einige Tage gestoppt werden musste."
Nun ist Doris Day im Alter von 97 Jahren in Kalifornien gestorben.

Alte gegen neue Filmindustrie

"Zu alt, um jung zu sterben", schreibt in der FAZ Verena Lueken nicht über Doris Day, sondern über das nun beginnende Filmfestival von Cannes: "Ist es dabei, im Zeitalter von Serien und Streamingdiensten zur Nachhut des Kinos zu werden?"
Das Festival hat nämlich wieder Netflix-Produktionen verbannt. Voraussetzung für die Teilnahme eines Films: Er muss erst drei Jahre exklusiv im Kino zu sehen sein.
"In diesem Jahr scheint im Vordergrund zu stehen, eine Bastion gegen die Streamingdienste aufzubauen, und zwar mit möglichst vielen großen, möglichst riesigen Stars der alten Filmindustrie in Hollywood und in Frankreich", schreibt Lueken und lässt Zweifel daran aufkommen, dass trotz des Banns von Netflix und Co. auf dem Festival wirklich die besten Filme gezeigt werden.
Zur Eröffnung wird jedenfalls "The Dead Don’t Die" von Jim Jarmusch zu sehen sein, ein Zombiefilm.
"Man kann das metaphorisch deuten, vielleicht sollte man das sogar. Und trotzdem die Hoffnung nicht sterben lassen, dass das Kino noch nicht das Stadium erreicht hat, in dem es sich nur mit sich selbst und seinen Wiedergängern beschäftigt."

"Heile-Welt"-Radioprogramm im Supermarkt

Von Zombies zum "Nudelfunk": "Beim Griff nach dem Spargel verkündet eine wohltemperierte Männerstimme aus dem Lautsprecher die ultimativen Zubereitungsarten für das Saisongemüse", beschreibt Susan Jörges in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG ein Einkaufserlebnis in einem deutschen Supermarkt.
"Auf den Kochtipp folgen die Wetteraussichten, kurze Nachrichten, danach das Supersonderangebot des Tages: dreimal Schokomilch für nur zwei Euro."
Einzelhandelsketten leisten sich eigene Radioprogramme, um die Kauflaune der Kunden anzuregen. Schon in 73 Prozent der Filialen im deutschen Lebensmitteleinzelhandel seien diese Programme im Privatradiosound zu hören.
In den Worten von Susan Jörges:
"Nachrichten werden tagesaktuell eingespielt, auch sie speziell auf die Wünsche des Auftraggebers zugeschnitten: Weder Real noch Edeka möchte die neusten Infos zum Salmonellen- oder Gammelfleischskandal aus den Lautsprechern in ihren Filialen hören".
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