Hat "Focus Online" bei der "Bild" geklaut?

Hat "Focus Online" bei "Bildplus" ganze journalistische Geschichten geraubt? "Bild" jedenfalls hat mit diesem Vorwurf deshalb Klage beim Landgericht Köln eingereicht, berichtet die "FAZ".
"Wir sind Wurst. Wir sind nicht Grammatik", schreibt Nina Pauer in der ZEIT.
"Hier lernt man Stoßlüften. Es gibt Arbeitszeiterfassungssysteme. Soße. Schorle. Schunkeln."
Jetzt denken Sie vielleicht: Das ist bestimmt eine Dichterin, diese Nina Pauer. Und die ZEIT hat einige ihrer Verse abgedruckt. Aber in Wirklichkeit ist das die Antwort der ZEIT-Redaktion auf Thomas de Maizières zehn Thesen zur deutschen Leitkultur. Und Nina Pauer hat die Stimmen ihrer Kollegen eingefangen und so zusammengetragen und drucken lassen, als wäre es ein ganz normaler journalistischer Artikel, auch wenn es wie Lyrik klingt:
"Meckern Volkssport. Nutella Religion."
Wie wohl ein AfD-Sympathisant diesen augenzwinkernden Artikel in der ZEIT findet …
Besucher von "Zeit Online" "werden die AfD im September wohl kaum über die Fünf-Prozent-Hürde heben", mutmaßt Simon Hurtz in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Die hat in den letzten Monaten mehr als eine Million Likes, also Finde-ich-gut-Bekundungen per Mausklick, bei Facebook daraufhin ausgewertet, welche Medien die Sympathisanten welcher der sechs etablierten deutschen Parteien wertschätzen. Ein Ergebnis: Unter anderem die Facebook-Seiten von "Tagesschau", "Spiegel Online" und der satirischen "ZDF-Heute-Show" werden von allen Anhängern der bekannten Parteien, folgt man der Like-Analyse, positiv gesehen.
Von allen, nur nicht von den Sympathisanten der AfD. AfDler erscheinen als besonders humorlos in diesem Artikel. Denn auch die satirische Seite "Postillon" würden sie nicht durch Klick positiv bewerten.
"Drei Facebook-Seiten großer deutscher Nachrichtenportale vereinen Nutzer aus allen politischen Milieus inklusive der AfD", schreibt Simon Hurtz in der SZ:
"Welt und Huffington Post sowie das Politik-Ressort von Focus Online, das bei Facebook mit einer eigenen Seite vertreten ist."
"Focus Online": "Klickschleuder erster Ordnung"
Was an "Focus Online" zieht wohl AfD-Sympathisanten an? Vielleicht, dass "Focus Online" Artikel klaut, um dann selbst damit hohe Klickzahlen zu generieren? Das jedenfalls behauptet die "Bild"-Zeitung und hat deshalb beim Landgericht Köln Klage eingereicht. Dort hat "Focus Online" in einer Erwiderung nun dem Vorwurf widersprochen, beim kostenpflichtigen Online-Angebot von "Bildplus" "systematisch" ganze journalistische Geschichten geraubt, anstatt nur daraus zitiert zu haben. Darüber berichtet Michael Hanfeld in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG:
"Von grundsätzlichem Interesse wird jedoch sein, wie die Richter zwischen Information unterscheiden, für die niemand das alleinige Besitzrecht in Anspruch nehmen kann, und journalistischer Aufbereitung, die eine individuelle Leistung mit dem damit verbundenen Urheberrecht darstellt."
Hanfelds eigene Meinung zum Fall:
"Wer […] nur einmal kurz bei 'Focus Online' vorbeischaut, wird sich kaum des Eindrucks erwehren können, dass es sich hier um eine Klickschleuder erster Ordnung handelt."
Zum Schluss schnell noch etwas Antiklickschleudermäßiges. Etwas Lyrisches: "Sich beschweren ist ein Zeichen von Lebensfreude. […] Stiftung Warentest. Weltschmerz", verdichtet die schon erwähnte Nina Pauer in der ZEIT die Redaktionsgedanken zur deutschen Leitkultur.
Eine wirkliche Dichterin, Christine Lavant, kommt in der FAZ zu Wort. Jetzt sind Gedichte aus ihrem Nachlass erschienen, die sie zu Lebzeiten nicht für gut befand, aber trotzdem aufhob. Ihre Begründung:
"Arme Gedichte wollen schließlich auch 'leben'. Wer das, was er schreiben muß, zurückhält, ist vielleicht wie ein Weib, das seine Kinder vergräbt aus Angst, sie könnten dem lieben Nachbarn nicht gefallen."