Aus den Feuilletons

"Hässlich, mitleidlos, kalt"

Von Burkhard Müller-Ullrich · 20.07.2015
Im letzten Jahr war Deutschland laut einer Umfrage der BBC das beliebteste Land der Erde. Nach Spardiktat und knallharten Verhandlungen mit Griechenland sei es nun vorbei mit der weltweiten Liebe, schreibt die FAZ. Die Deutschen würden als "Plattmacher" wahrgenommen.
Na, von welchem Volk ist wohl die Rede, wenn vor allem Ängste thematisiert werden?
"Angst vor Inflation, vor Migration, vor Auslandseinsätzen, vor Google, vor Fracking, vor Eurobonds und so weiter",
wie Jürgen Kaube in der von ihm mitherausgegebenen FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG aufzählt? Volltreffer! Es geht natürlich um Deutschland, das beliebteste Land der Erde, wie die BBC noch letztes Jahr in einer Umfrage herausgefunden hat, und Deutschland, das meistgehasste Land der Erde, wie man jetzt aus vielen internationalen Kommentaren, nicht nur griechischen, herauslesen muss.
"Plattmacher, streng, Abrechner, lauter böse schwäbische Hausfrauen, die Effizienz mehr achtend als die Demokratie, hässlich, mitleidlos, kalt. Selbst wenn man die törichten Hitler-Vergleiche abzieht, bleibt doch ein bemerkenswertes Unbehagen gegenüber alldem, was den Deutschen erst kürzlich noch gut geschrieben wurde."
So ist das nun mal: das Deutsche wird wahlweise hochgejubelt oder kleingeredet; die Welt sieht in uns, was sie will.
"Deutschland als Rorschachbild", wie Kaubes Überschrift lautet. Kann man nichts machen; so ist das nun mal mit der Nationalpsychologie – einerseits sprung- und wechselhaft, andererseits langlebig und zäh. Es bringt nichts, die Zahl der Opernhäuser, die Stiftung Warentest und die Mülltrennung gegen das Negativimage der Großmacht mit den schlimmen Genen ins Feld zu führen. Auch Kaube weiß keinen rechten Rat – außer dem seines zur WELT abgewanderten Kollegen Dirk Schümer:
"Wenn man es ohnehin keinem Recht machen kann, dann entschuldigt man sich nicht, und man beschwert sich auch nicht. Man buhlt nicht um Zuwendung und ignoriert die Häme – wie ein echter Gentleman."
Kirill Petrenko an der Berliner Philharmonie
Das könnte auch im Verkehr von Feuilletonisten untereinander gelten, aber dann ginge es weniger lustig zu. Was wären die Feuilletons ohne Fehden, ohne Gehässigkeiten und Retourkutschen? Langweilig wären sie, und deshalb vertreibt uns in der WELT Lucas Wiegelmann die Langweile, indem er auf die Musikkritikerin der FAZ, Eleonore Büning, eindrischt, ohne sie zu nennen.
Die hatte am Sonntag einen Artikel über Kirill Petrenko, den designierten Chef der Berliner Philharmoniker geschrieben, und dabei – so Wiegelmann – einen alten Journalisten-Trick, nämlich die "Fiese-Gerüchte-um-XY-Technik" angewandt.
"Sie ermöglicht es, Lästereien über eine Person zu verbreiten – unter dem Vorwand, sie genau gegen diese Lästereien in Schutz zu nehmen (fiktives Beispiel: 'fiese Gerüchte um die Ehe von Lothar Matthäus'). In diesem Fall gibt sich die Autorin des Artikels besorgt über 'antisemitische Affekte' in der Berichterstattung über Kirill Petrenko."
Tatsächlich hatte die WELT berichtet, Petrenko werde der dritte Jude auf einem Berliner Chefsessel sein, neben Daniel Barenboim und Iván Fischer. Vielleicht hat man sich bei der WELT irgendwie ertappt gefühlt und freute sich deshalb so sehr, die Frankfurter Kollegin beim Selbstzitat zu ertappen. Immerhin waren zwei lange Sätze ihres gestrigen Artikels schon mal vor zwei Jahren erschienen. Dazu Wiegelmann süffisant:

"VW zeichnet auch nicht für jeden gebauten Golf die Pläne neu."
Die deutsche W-LAN Problematik
Sehr witzig! Nun aber noch ein Wort zur deutschen W-LAN Problematik, die laut Koalitionsvertrag von unserer Regierung längst hätte gelöst worden sein sollen. Aber stattdessen wurde neue Vorschriften für den Betrieb von Paternostern erlassen und zurückgenommen, beim W-LAN gilt immer noch die sogenannte "Störerhaftung", das heißt, jeder, der anderen Leuten einen Internetzugang ermöglicht, ist für alles verantwortlich, was die da treiben. Deswegen gibt es bei uns, anders als im Ausland, keine freie Einwahl per Funknetzwerk im öffentlichen Raum, obwohl die Regierung genau das versprochen hat.
Vielleicht, so berichtet Andrea Diener in der FAZ, wird unsere Regierung aber demnächst von der EU-Kommission dazu gezwungen. Denn die deutsche "Störerhaftung" ist natürlich Quatsch.
"Der Post kann man auch keine Vorwürfe machen, wenn sie Pakete zustellt, deren Inhalt illegal ist", zitiert die Zeitung einen Verbraucherschützer.
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