Guter Flüchtling, schlechter Flüchtling?

Früher waren Flüchtlinge oft blond und kamen aus der Ex-Sowjetunion. Niemand regte sich auf. Heute sind sie dunkelgelockt und stammen aus dem arabischen Raum. Die TAZ fragt: Ist Rassismus ein Grund für die Angst vor großen Veränderungen?
Gerhard Richter, das teilt die WELT mit, ist sauer. Es sei, so zitiert ihn die Zeitung, ein "erschreckender Vorgang", dass die Stadt Leverkusen das Museum Schloss Morsbroich schließen wolle. Zuvor hatten die Stadtväter, wenn man sie denn noch so nennen will, verlangt, das Museum solle einen Richter verkaufen, um Geld in die Kasse zu bekommen. Das wurde abgelehnt, nun soll die ganze Sammlung aufgelöst werden. Zwar ist auch WELT-Autorin Swantje Karich der Meinung, nicht alle Museen könnten überleben, dazu seien es zu viele. Aber dass es das sehr erfolgreiche Schloss Morsbroich sein soll, will der Autorin nicht in den Kopf. Sie hofft: "Vielleicht wachen die Politiker noch rechtzeitig auf und merken, dass ihnen nur die hohen Preise Gerhard Richters den Verstand vernebelt haben."
Ein schönes Beispiel für die Meinungsvielfalt unserer Presse bieten zwei Artikel in der WELT und in der TAZ zum neuen Computerspiel "Far Cry Primal". Die Handlung spielt in der Steinzeit. In der WELT begeistert sich Matthias Heine dafür, dass die Spieleentwickler eine Sprache rekonstruiert haben, die dem "Proto-Indoeuropäischen", aus dem viele Sprachen von Europa bis Indien entstanden sind, nahekommen will. Und als ob man es geahnt hätte – Heine schreibt: "Die ursprüngliche Fassung des Proto-Indoeuropäischen für 'Far Cry Primal' klang viel zu sehr nach klassisch-humanistischem Gymnasium, fast wie Latein oder Griechisch."
Brüllen lässt sich besser im Dialekt
Genau so hatten wir uns immer den Steinzeitmenschen vorgestellt, als einen frühen Platon oder Homer. Die Entwickler mussten noch einen primitiveren Dialekt hinzuerfinden, der in den Kampfszenen besser gebrüllt werden kann. Damals lief es also auch schon so: Hochkultur gegen Flachkultur – und dann hauen sie sich die Schädel ein. So ein Spiel ist unglaublich lehrreich.
Die TAZ erwähnt die Sprachstudien der Spieleschöpfer nur zusammen mit Lichteffekten, Naturklängen und schönen Wäldern – ihre Leserschaft interessiert sich mehr dafür, dass die steinzeitlichen Geschlechterrollen nicht mehr nach den Idealvorstellungen früherer gutbürgerlicher Historiker geformt wurden, also: Mann geht jagen, Frau putzt Höhle. In diesem Spiel, lobt Pepe Delabar, seien Frauen Anführerinnen bei der Jagd, weil die moderne Forschung von anderen Szenarien ausgehe als frühere Wissenschaftler. Für die Frauen in der Steinzeit bedeutet das, dass auch sie in die böse Welt hinaus müssen – als Heldinnen bei der Jagd, aber auch als Futter für den Säbelzahntiger. In der Soziologensprache der Hochkultur urteilt Delabar: "Der Versuch einer neuen Perspektive nicht nur auf das alte Gaming-Modell des Ego-Shooters, sondern peripher auch auf die Vorstellung urzeitlicher Geschlechtermodelle ist ein wichtiges Novum." Und dann mit tiefer Erleichterung in der schlichten Sprache der Flachkultur: "Bürgerliche Ordnung sucht man in dieser Steinzeit zumindest vergeblich." Wieder was gelernt.
Verhindert Seehofer die Integration?
Ebenfalls in der TAZ fragt sich Reiner Metzger, woher angesichts der Menge der Asylsuchenden "diese Angst vor großen Veränderungen" komme. Schließlich habe man seit 1990 über vier Millionen Flüchtlinge aus der früheren Sowjetunion aufgenommen. Metzger schreibt: "Über Millionen Ex-Sowjets hätten sich die besorgten Bürger von heute auch aufregen können. Taten sie aber nicht. Waren halt viele Blonde und Blondinen dabei. Jetzt kommen dunkelgelockte Araber, Afghanen mit Bärten, schwarze Männer gar. Da spalten sich die Menschen: Manche gehen auf die Fremden zu, um zu sehen, ob sie mit ihnen auskommen. Und andere verfallen in Rassismus." Metzger fürchtet, dass diese Rassisten, und erwähnt namentlich Horst Seehofer, die Integration von Ankommenden verhindern werden. Und weiter, Zitat: "Dieses Problem offen zu benennen, wäre wichtig. Rassisten durch Annäherung überzeugen zu wollen oder aber bei den anstehenden Wahlen versuchen, den Riss in der Wählerschaft mit neuen Zäunen abzudecken, ist politisch nutzlos." Und grammatisch unsauber. Jetzt wollen wir nur noch wissen, was politisch nützt.