Aus den Feuilletons

Großdichter gefeiert, Großdichter vergessen

Das Denkmal von William Shakespeare, aufgenommen im Park an der Ilm in Weimar (Thüringen).
Das Denkmal von William Shakespeare, aufgenommen im Park an der Ilm in Weimar (Thüringen). © picture alliance / dpa
Von Ulrike Timm · 02.02.2016
Großbritannien feiert den 400. Todestag Shakespeares mit BBC-Sonderreihen und internationaler Großoffensive. Der spanische Dichter Cervantes scheint in seinem Heimatland dagegen leer auszugehen, kommentiert die "Welt".
Shakespeare lebt. Bloß Cervantes ist leider tot. Großbritannien feiert den 400. Todestag Shakespeares, als hätte es seinen 450. Geburtstag vor gerade mal zwei Jahren nie gegeben – mit Premierministerworten, BBC-Sonderreihen und internationaler Großoffensive in 140 Ländern. Cervantes, ebenfalls seit 400 Jahren unsterblich, scheint dagegen leer auszugehen und guckt dementsprechend resigniert vom Feuilleton der WELT.
Spanien verpennt das Jubiläum seines größten klassischen Romanciers, so der Tenor des Protestes von Jésus Ruiz Mantilla. Zwar gibt es eine große staatliche Kommission, die werkelt, ein Finanzministerium, dass Sponsoren von Festivitäten 90 Prozent Steuernachlass verspricht und Cervantes goldrichtig als "herausragend" einstuft – bloß was tatsächlich passieren soll, weiß kurz vorm Start noch keiner. Von einer "kulturellen Blamage" seines Landes spricht der Autor, dessen Artikel – immerhin – nicht nur in der WELT, sondern parallel auch in der spanischen "El Pais" erscheint. Vielleicht wacht ja noch jemand auf. Jahrhundertjubiläen kann man schließlich im Prinzip Jahrhunderte vorher planen. So aber setzt die WELT alle Hoffnung für Cervantes auf die Briten – die "nämlich organisieren sogar Veranstaltungen, die sich der Verbindung von Shakespeare und Cervantes widmen". So klemmt denn ein Genie das andere quasi unter den Arm ... .
Neuer Gedichtband von Ror Wolf
"Und wenn ich nicht verschwunden bin, dann sehen Sie mich wieder"
Das klingt schon sehr viel besser. Wir sind aber nicht mehr auf der Spur verblichener Großdichter, sondern in die SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG gerutscht – und der bescheidene Ror Wolf wäre bestimmt verlegen, dass er so im Schlepptau von Shakespeare und Cervantes daherkommt. Aber die Kollegen der SÜDDEUTSCHEN rezensieren seinen schönen, frechen neuen Gedichtband so schön.
"Es frisst, es schlingt", heißt es da, "Städte, Landschaften, Menschen treten auf den Plan, um umgehend zu explodieren, wegzurutschen, wegzuschwimmen."
Die Welt als kleine Fressmaschine, entworfen im poetischen Laboratorium des Ror Wolf, der gern von seiner "Wirklichkeitsfabrik" spricht, "jemand sieht die Dinge, wie sie sind",meint die SÜDDEUTSCHE. Lesenswert!
Dokudrama über den Film "The Day the Clown cried"
Wirklich alle Feuilletons widmen sich einem Film, den keiner gesehen hat. Und der schon darum ein Mythos wurde. Der schrille Blödel-Darsteller Jerry Lewis wollte 1972 eine Groteske drehen, den Spalt zwischen Komödie und Tragödie schließen. "The Day the Clown cried", "Der Tag an dem der Clown weinte", wurde nie fertig, weil Lewis verzweifelte und schließlich scheiterte an seiner Geschichte von einem Clown, der Kindern im KZ ihr Los ein bisschen erleichtern wollte – und schließlich ihr Schicksal teilte und mit ihnen gemeinsam in die Gaskammer ging.
"Der Film war ein früher, radikaler Versuch, den Holocaust filmisch zu bewältigen, sechs Jahre vor der US-Serie Holocaust, 13 Jahre vor Claude Lanzmanns Shoah, und 25 Jahre vor Roberto Benignis Das Leben ist schön" – rechnet der TAGESSPIEGEL.
Und warum jetzt in allen Feuilletons? Weil es Eric Friedler, dem großen Anthropologen unter den Dokumentarfilmern, gelungen ist, mit dem inzwischen 90-jährigen Jerry Lewis zu sprechen, Teile des Films zu sehen und ein Dokudrama zu entwerfen, das sämtliche Rezensenten beeindruckt.
"Beschämt" fühlte sich Luis 1972, gescheitert, - aber grandios gescheitert, wie Eric Friedlers wohl ebenso grandiose Dokumentation zeigt, zu sehen in der ARD - spätabends, natürlich. Die Kollegen von FAZ, Tagesspiegel, Süddeutscher, WELT und taz durften vorher gucken.
Welche Bands werben in den USA für welche Präsidentschaftskandidaten?
Wir hören noch ganz kurz in die FRANKFURTER ALLGEMEINE. Die berichtet, welche "Backing Bands" für die Kandidaten der Präsidentschaftswahlen in den USA Werbung machen. Für Hillary Clinton singen die meisten, von Beyoncé über Barbra Streisand und Stevie Wonder bis Bon Jovi. Donald Trump wird deutlich weniger stimmstark unterstützt, für ihn war nur Loretta Lynn ausfindig zu machen, die schon 1975 trauerte: "They dont make em Like My Daddy" ... . Was ja doch irgendwie ganz beruhigend ist.
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