Aus den Feuilletons

Gleich kommt der Stasimann im grauen Trenchcoat

Vor einem leergezogenen Plattenbau in Magdeburg ein Trabant.
Trabant vor Plattenbau in Magdeburg © dpa / picture alliance / Jens Wolf
Von Tobias Wenzel |
Ein beigefarbener Trabant tuckert durch ein bleigraues und tristes Berlin-Mitte: Das ist eine Szene aus einem entzückenden Berlin-Roman von Ken Follett. Schön, das mal wieder so zu lesen, konstatiert die Rezensentin in der "Berliner Zeitung" - und verzeiht ihm sogar die etwas schlichte Aufteilung der Welt in Gut und Böse. Daneben sind die Feuilletons auf der Suche nach der Wahrheit und wundern sich über eine Million Euro, die auf Konzertbesucher regnen sollen.
"Ein beigefarbener Trabant 500 tuckert durch Berlin-Mitte, die neuen Betongebäude zwischen den Häuserlücken ragen trist in den bleigrauen Himmel. Aha, bleigrau, trist, und natürlich regnet es auch an jenem Montag im Jahr 1961 in Ost-Berlin. Und gleich kommt der Stasimann im grauen Trenchcoat."
So lässt Sabine Vogel ihre Rezension von Ken Folletts Roman "Kinder der Freiheit" in der BERLINER ZEITUNG beginnen. Und es klingt wie das Ausholen zum großen Verriss. Das täuscht aber. Denn Sabine Vogel ist entzückt von diesem Berlin-Roman, der mit dem Mauerbau beginnt und der Zusammenführung einer Familie am Checkpoint Charlie am 9. November 1989 endet.
Schön, das mal so zu lesen
"[...] das Geschichte-Erzählen tut Follett so spannend, dass man sich gelegentlich fragt, ob man diese Zeiten in Echt eigentlich total verschlafen hat", schreibt sie und scheint am Ende ihrer Rezension die kritische Kurve zu kriegen. Scheint. Die "etwas schlichte Aufteilung der Welt in Gute [...] und Böse" könne man Follett vorwerfen, gibt Susanne Vogel zu bedenken. Doch dann: "Aber nö, ist schon schön, das mal wieder so zu lesen – und beruhigend bei aller Spannung und der nicht einfacher gewordenen Wirklichkeit draußen."
Ist das die Wirklichkeit? Die Geschichte, die in sozialen Netzwerken zum Foto einer jungen Frau verbreitet wird, die zufrieden und stolz in die Kamera blickt? "Sie lächelt, sie macht mit ihrer Linken das Victory-Zeichen. Sie trägt einen grün-schwarzen Kampfanzug", beschreibt Ronen Steinke das Foto in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. In sozialen Netzwerken wird behauptet, die Frau heiße Rehana und habe bei der Verteidigung von Kobanê mehr als 100 Kämpfer des Islamischen Staats getötet, sie sei von IS-Terroristen geköpft worden. Sie wird im Internet als Märtyrerin verehrt, als "Engel von Kobanê". Alles wohl frei erfunden. Steinke verweist nämlich auf den schwedischen Fotografen, der die Aufnahme gemacht hat. Der bezweifle, dass die Frau überhaupt an der Front eingesetzt worden sei. Und vermeintliche Freunde von Rehana hätten nun behauptet, sie sei immer noch am Leben. "Rehana, das Poster Girl für den kurdischen Widerstand, ist am Ende vielleicht nur das gewesen: ein Plakatmotiv", schreibt der Journalist Steinke weiter. "Aber die riesigen Sympathien, die ihr entgegenschlugen, waren echt."
"Meinen Sie das ernst?"
Überhaupt erführen Fotos von muslimischen Frauen mit Kampfanzug oder Waffe in der Hand einen regelrechten Hype in den sozialen Netzwerken: "Die vielen Bilder kurdischer Kämpferinnen, ob mit geschulterter Panzerfaust oder mit einem Lächeln in der Gefechtspause, die in diesen Wochen den Weg auch in die Nachrichtenmagazine finden, bieten das Gegenstück zur Ballerspiel-Ästhetik des Islamischen Staats. Die IS-Videos sollen Verlierer aus Europas Banlieues anziehen; die Bildsprache der PKK erweist sich als attraktiv für gebildete Menschen."
An der Bildung oder zumindest der Intelligenz von Wolfgang Huther scheint Laura Hübner ein wenig zu zweifeln. "Herr Huther, Hand auf's Herz: Meinen Sie das ernst?", fragt sie das Mitglied der Münchner Metal-Band Badbank im Interview für die SZ. Die Band will nämlich über Crowdfunding eine Million Euro sammeln.
Wofür? Tja, um die Million bei einem Badbank-Konzert in einer Veranstaltungshalle in München am 10. September 2015 auf die 6000 Besucher herabregnen zu lassen. Ob er denn gar keine Handgreiflichkeiten beim Schnappen nach den Scheinen befürchte, will Laura Hübner noch wissen. Die Antwort des Musikers: "Oberste Prämisse ist, dass niemand verletzt wird. Wir arbeiten eng mit einer erfahrenen Security-Firma zusammen. [...] Und es ist uns extrem wichtig, dass der Geldregen gleichmäßig heruntergeht. Auf keinen Fall darf es an einer Stelle kein Geld regnen."
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