Aus den Feuilletons

Frostige Stimmung

Russlands Premier Putin und US-Präsident Obama 2012 beim G20-Gipfel in Mexiko.
Beziehungen am Tiefpunkt: Russlands Premier Putin und US-Präsident Obama. © dpa/ei Nikolsky/Ria Novosti/Krem
Von Klaus Pokatzky · 30.03.2014
Was haben der BVB und Putin gemeinsam? Genau, Gier. Allerdings mangele es ersterem daran ein wenig, während letzterer es im Überschuss hat. Was die Feuilletons noch beschäftigt: Selfies aus türkischen Gefängnissen.
"Festgenommen bin ich nicht. Aber ich bin eingesperrt. Der Unterschied: Ich darf mein Telefon behalten."
In der Tageszeitung TAZ beschreibt Deniz Yücel, wie er in die Türkei fliegen wollte, zu den Kommunalwahlen dort, und in Istanbul auf dem Flughafen Atatürk eine Nacht in eine Sammelzelle gesperrt wurde, weil ein Einreiseverbot gegen ihn verhängt war. Aber in der Zelle hat er ja ein sein Handy und lässt sich von den Zellengenossen
"erklären, wie man mit einem Mobiltelefon die Sperre umgeht. Alle Welt redet über die Twittersperre in der Türkei. Keine fünf Minuten, und ich bin ich auf Twitter und kann aus dem Polizeigewahrsam meine Selfies twittern."
Das ist die Welt von heute, von denen manch ein Politiker eben noch nichts begriffen hat, noch gar nichts.
Absolute Gier
"Wir brauchen wieder die absolute Gier, ein Spiel unbedingt gewinnen zu wollen."
So wird in der TAZ Hans-Joachim Watzke zitiert, der Geschäftsführer des Fußballvereins Borussia Dortmund.
"Gier ist verurteilenswert, wenn auch von sehr unterschiedlichen moralischen Standpunkten und Institutionen aus gesehen," schreibt Jens Uthoff zur Gier an sich, "eine positive Deutung erfuhr die Gier erst in der Welt des entfesselten Kapitalismus."
Und in der Welt des postkommunistischen Zarentums eines Wladimir Wladimirowitsch Putin.
"Es gab weder in der Ukraine noch in Amerika eine Strategie für die Ukraine," schreibt John Kornblum in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG.
"Wir versäumten es, das gemeinsam mit Russland Anfang der siebziger Jahre abgelegte Gelöbnis zu erneuern, unsere Differenzen zu akzeptieren, um ein Zeitalter der Entspannung zu gründen."
Der ehemalige US-Botschafter in Berlin ist gleichermaßen besorgt über russische Kalte-Kriegs-Reden und über die mangelnde Sensibilität westlicher Politiker gegenüber den Russen, wie etwa US-Präsident Barack Obama, der Russland als eine „Regionalmacht“ verkleinerte.
"Beide Seiten verstießen gegen einen zentralen Grundsatz Henry Kissingers, wonach konkurrierende Staaten sich über wechselseitige 'Regeln und Grenzen' verständigen müssen, um Konfrontationen zu vermeiden. Die Neubestimmung solcher Regeln und Grenzen wird schwierig sein, und der Westen ist schlecht gerüstet."
Südgrenze Russlands
Über die historischen und kulturellen Beziehungen der Russen zur Halbinsel Krim klärt uns die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG auf.
"Letztlich stellt die Krim gewissermassen ein Konzentrat des grossen Russland dar: Sie ist ein russisch dominiertes Gebiet mit einer multiethnischen Bevölkerung, sie verfügt über eine intensive Anmutungsqualität, und sie wird mit einem religiös eingefärbten Patriotismus verteidigt,"
schreibt Ulrich M. Schmid nach einer ungemein gründlichen Beschreibung von der Krim schon vor tausend Jahren als Bestandteil der Kiewer Rus über die Eroberung unter Katharina der Großen bis hin zur Liebe der russischen Dichter, im Zarenreich wie im Sowjetsystem:
"Alexander Solschenizyn betrachtete die Krim als 'natürliche Südgrenze Russlands'."
Dasist viel russische Seele, das ist aber auch stark religiös durch die russisch-orthodoxe Kirche geprägt, die ja aus der griechisch-orthodoxen hervorgegangen ist. Das gab es schon bei der Zarin im 18. Jahrhundert:
"Katharina träumte davon, das ehemalige Byzanz unter russische Kontrolle zu bringen und so zur Hüterin der Orthodoxie zu werden."
Und davon hat Putin auch in seiner Rede vor der Duma gesprochen:
"Die Orthodoxie bilde die gemeinsame kulturelle Basis, die Russland, Weissrussland und die Ukraine verbinde. Das „griechische Projekt“ ist auch im offiziösen religiösen Diskurs in Russland prominent vertreten."
Keine Gier auf Griechenland bitte – Wladimir Wladimirowitsch!