Aus den Feuilletons

Frau liebt Wolf im Plattenbau

Anna, gespielt von Lilith Stangenberg, nimmt einen Wolf auf - in ihrer Hochhauswohnung
Anna, gespielt von Lilith Stangenberg, nimmt einen Wolf auf - in ihrer Hochhauswohnung © Christian Hüller
Von Gregor Sander |
"Die Stille und das Biest" bespricht die "SZ" wohlwollend den Kinofilm "Wild" von Nicolette Krebitz. Er erzählt die Liebesgeschichte zwischen einer Frau und einem Wolf im Plattenbau in Halle-Neustadt.
"Vermutlich hat noch niemand so etwas gesehen."
Mit diesem großen Lob beginnt Verena Lueken ihre Filmkritik in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Sie bespricht hier "Wild" von Regisseurin Nicolette Krebitz. Der Satz, der darauf folgt ist allerdings fast schon gemein.
"Auf keinen Fall in einem deutschen Film."
Doch trotz dieser Einschränkung ist Lueken begeistert von der Liebesgeschichte zwischen Frau und Wolf im Plattenbau in Halle-Neustadt. Halle an der Saale selbstverständlich, weil trist soll es sein um diese Liebe herum.
"Wie Ania ins Bad läuft, menstruierend, mit einer Spur aus Blutstropfen hinter sich, der der Wolf folgt, bis er an ihrem Bein ankommt, das Blut ableckt, mit seiner Zunge immer höher zielend, und sie in Ekstase bringt",
schwärmt Lueken in der FAZ.
"Ein Traum? Ein Bild, inszeniert von Nicolette Krebitz. Sie ist eine furchtlose Regisseurin."
Anna, gespielt von Lilith Stangenberg, nimmt einen Wolf auf - in ihrer Hochhauswohnung
Anna, gespielt von Lilith Stangenberg, nimmt einen Wolf auf - in ihrer Hochhauswohnung© Heimatfilm
Auch Tobias Kniebe von der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG blickt wohlwollend auf "Wild". Allerdings etwas distanzierter:
"Schon klar, denkt man da: der Ruf der Wildnis. Die Stille und das Biest. Die mit dem Wolf tanzt. Wenn das aber eine simple Befreiungsgeschichte werden soll, würde man schon gern wissen, wovon diese junge Frau eigentlich befreit werden muss. Illusionen, falsche Träume, Männer, eine erstickende Gesellschaft? Hatte sie nicht, kannte sie nicht, hat sie sowieso nie mitgemacht."
So ist das Bild wohl das Ziel dieses Filmes, und das muss ja nichts Schlechtes sein.

"Erdermann und Böhmogan"

Ein besonderes Bild für die tägliche Böhmermannberichterstattung hat Matthias Heine in der Tageszeitung DIE WELT gefunden:
"Der Pfauenkampf zwischen Erdermann und Böhmogan."
Während man sich dieses Bild vor Augen ruft und vorsichtig abklopft, ob da am Ende nicht jemand geschmäht wurde, geht der Satz glücklicherweise weiter.
"Der Pfauenkampf zwischen Erdermann und Böhmogan hat Wörter wieder in die Medien und in die politischen Diskussionen am Familientisch katapultiert, die bei mindestens 90 Prozent aller Deutschen außer Gebrauch waren."
Es geht natürlich um das Wort Schmähung, das vor Böhmermann etwas aus der Mode gekommen war.
"Spitzenwerte erreichte es ominöserweise in den Jahren 1918/19 und 1945/46. Mitte der 40er-Jahre steigt auch die Verlaufskurve für Schmähung nach oben. Wenn die Zeiten sich ändern, wird offenbar besonders viel geschmäht."
Wir wollen nicht hoffen, dass solche Zeiten mit diesem bizarren Rechtsstreit anbrechen, sondern lieber von Matthias Hein etwas lernen:
"Schmähen kommt vom altnordischen Wort smar ('klein'): Wenn Wikinger schmähten, wollten sie ihr Gegenüber 'klein machen'."
Interessant bei diesem ganzen Irrsinn ist, dass immer wieder und überall Folgendes erwähnt wird:
"Jan Böhmermann hatte im ZDF ... ein zweifellos strafbares (und mieses) Schmähgedicht gegen den türkischen Präsidenten vorgetragen."
Aber woher weiß Christiane Peitz vom Berliner TAGESSPIEGEL, dass dieses Schmähgedicht "zweifellos" strafbar ist, bevor dies ein Gericht entschieden hat? Noch interessanter ist, dass sie darauf hinweist, dass Böhmermanns Machwerk "mies" war. Und damit ist sie nicht allein. Das wirft natürlich die Frage auf, ob so ein Schmähgedicht auch nicht mies sein kann. Ein gutes Schmähgedicht. Richtig klasse satirisch. Aber dann ist es doch eben kein Schmähgedicht mehr, oder doch?

Pinguine zählen

Zum Schluss noch etwas Einfaches, Beruhigendes, etwas Sauberes und Straffreies aus der TAZ:
"Auf der Website penguinwatch.org können Pinguinfans die tollpatschigen Tiere zählen, markieren und beschreiben. Und zwar stundenlang, denn unter penguinwatch.org gibt es sehr – sehr – viele Bilder."
Und das ist gar nicht soooo doof, wie man meinen könnte, denn:
"Die Seite ist Teil eines wissenschaftlichen Projekts: Die Forscher der
Universität Oxford sitzen auf einem riesigen Berg an Bildern von Pinguinen aus der Antarktis. Und 26.397 Hobbywissenschaftler helfen dabei, dieses auszuwerten und markieren fleißig Eier, Küken und ausgewachsene Tiere."
Irgendwie tierisch heute, die Feuilletons.
Mehr zum Thema