Facebook, es hat sich ausgeliked

Mit Facebook und dem Daten-Skandal hatten die Feuilletons in der zurückliegenden Woche ein Aufreger-Thema, über das sich trefflich diskutieren lässt. Vor allem darüber, ob und wie man nun raus soll, aus dem Netzwerk - oder aber drin bleiben und Facebook zu mehr Datenschutz zwingen soll.
"Kindergarten? Kanone! – Das Englische hat mehr deutsche Wörter aufgenommen, als man denkt."
Verantwortlich dafür sind den Recherchen der WELT zufolge "Goethe, deutsche Sekten, deutscher Wein, Queen Victoria und ein allzu schießwütiger Botschafter." Das ist eine ebenso illustre wie disparate Auswahl. Matthias Heine liefert die Beispiele gleich mit. Für die Kanone im Englischen ist übrigens nicht der schießwütige Botschafter verantwortlich, der prägte 1917 den Begriff "spurlos versenkt", und die WELT hat ihn unter anderem in einem britischen Fachmagazin aufgespürt. "Als Kanone wird im amerikanischen Wintersportlerjargon ein Ski-As bezeichnet", lernen wir, na, immerhin sind weder Goethe noch die Sekte dran schuld.
"Mark Zuckerberg verschleiert"
"Ausgeliked" titelte die Frankfurter Rundschau in feinstem Denglisch. Erst der sinkende Aktienkurs brachte Facebook-Boss Mark Zuckerberg dazu, nach mehrtägigem dröhnenden Schweigen über die dunkle Seite seines Geschäfts zu sprechen. Er gab sich zerknirscht und geläutert, sprach von Vertrauensverlust und sagte zu, Daten der Nutzer künftig besser schützen zu wollen. "Aber wie glaubwürdig ist das?", fragt wohl nicht nur die Frankfurter Rundschau. "Jetzt, da herausgekommen ist, wie die Firma Cambridge Analytica Zugriff auf die Daten von fünfzig Millionen Facebook-Nutzern bekam und diese für den Wahlkampf von Donald Trump nutzte, merken plötzlich alle , wo bei Facebook der Hase im Pfeffer liegt", so die FAZ, und weiter: "Mark Zuckerberg verschleiert, was sein Konzern wirklich macht."
"Aufs Daten-Abgrasen komplett verzichten wird Facebook eben nicht können – weil es mit Daten sein Geld verdient", schreibt die TAZ. Und bietet – "Nix wie raus hier!" - zwölf Schritte für den Einstieg in den Ausstieg aus dem Netzwerk. Das dauert. Und ist seeehhhr kompliziert. Wer sich bis Schritt 12 vorgeackert hat und immer noch drin ist, geht zwar nicht zurück auf Los, aber zurück zu TAZ-Schritt 5:"Schaut Euch an, wie viel Facebook über euch und eure Freund*innen weiß. Und macht es dem Konzern nicht so leicht."
Das ist wohl praktikabler und selbstverantwortlicher, als auf eine kontrollierende Gesetzgebung zu warten, die verschiedene Medien in diesen Tagen mehrfach fordern - aber gut gefordert ist im Internetzeitalter eben doch meist bloß gut gemeint hinterhergerannt. Und es dauert.
Trump hat noch nicht zurück getwittert
Der Datenmissbrauch erschüttert das Facebook – Imperium bis ins Mark. Der Vertrauensverlust ließ die Aktie massiv verlieren. Sehr kleiner Trost, auch für Nichtaktionäre: "Letztlich sind sich fast alle Experten einig, Donald Trump hat die Wahl nicht wegen Cambridge Analytica gewonnen", beruhigt uns die Neue Zürcher Zeitung (NZZ), "sondern dank einer ganzen Reihe von anderen Faktoren, die seine Kampagne begünstigt haben", schreibt Felix Simon, "Betrachten wir nur den Einfluss von sozialen Netzwerken, muss hier zu allererst die Twitternutzung des Reality TV-Stars genannt werden. Twitter, nicht Facebook, sicherte Trump die Aufmerksamkeit der ‚Gatekeeper‘ in den Mainstream-Medien und damit großen Einfluss auf die Nachrichten-Agenda – ein entscheidendes Element im US-Wahlkampf."
Trump hat dem Kollegen der NZZ bislang nicht zurück getwittert, und wir würden das auch nicht liken.
Aber die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG hat festgestellt, dass Trump bei 49 Millionen Followern ganze 45 Accounts hat, denen er selbst folgt, darunter nicht einem seiner Minister.
Also vielleicht doch die zwölf Schritte zum Facebook-Ausstieg gehen und das TAZ-Rezept anwenden, selbst wenn man wieder auf Step-5 zurückplumpst?
Debatten, die nicht von der Stelle kommen
Harald Staun von der FAS ist wohl sowieso nicht drin, so grundsätzlich gerät seine "ganz analoge" Kritik der Digitalisierung. Er hält es für ein floskelhafte Mantra, wenn es heißt, sie würde überall gebraucht – allein das Wort Digitalisierung aber würde heute jeden tatsächlichen oder vermeintlichen politischen Gedanken aufmotzen. Staun geht seiner Skepsis auf den Grund – fast gewinnt man den Eindruck, er würde selbst ganz ohne Netz auskommen. Und das, pardon, glauben wir denn auch wieder nicht.
Manchmal kommen Debatten nicht von der Stelle. Sie werden nur länger und lauter, so die Diskussion um den Stellenwert des Islam in Deutschland oder die Zuwanderung und was wer wie wem auf welchem Podium gesagt hat oder gesagt haben soll. Juri Sternburg kontert in der TAZ auf ironische Weise: "Das Christentum gehört nicht zu Deutschland." Sein Argument: "Weniger als drei Millionen Katholiken gehen regelmäßig zum Gottesdienst. Schätzungen zufolge sind außerdem nur etwa 15 Prozent der deutschen bewusst mit der Kirche verbunden. Bedeutet wiederum: In diesem Land glauben mehr Menschen, dass die USA hinter 9/11 stecken (23 Prozent nämlich) als an die Institutionen der Christenheit. Wollen wir", fragt Sternburg, "dieser Minderheit etwa erlauben unser Land zu verändern?" und ruft "Horst, übernehmen Sie!"
Debussy - der bekannteste Unbekannte
Das soll natürlich provozieren. Wenden wir uns harmonischeren Themen zu.
TAGESSPIEGEL, WELT am Sonntag (WaS) und Süddeutsche Zeitung erinnern an den 100. Todestag von Claude Debussy, dessen sphärische Klangsprache die Musik veränderte. Einen der "bekanntesten unbekannten Komponisten" nennt ihn die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG und kürt ihn zum "Favoriten der Woche". "La Mer und die Klavier-Preludes sind sehr bekannt, aber widerständig und modern genug, um nie völlig populär zu werden", meint Reinhard Brembeck. Und im TAGESSPIEGEL zitiert Ulrich Amling Debussys Wunsch an die Pianisten: "Hauptsache, ich vergesse, wenn ich Ihnen zuhöre, dass das Klavier Hämmer hat", genauso wie sein musikalisches und gedankliches Credo, dass auch ganz jenseits der Musik debattentauglich ist: "Damals wie heute glaube ich, dass es die perfekte Harmonie nicht gibt".