Aus den Feuilletons

Eine Bühne für Papst Franziskus

Regisseur Wim Wenders und sein Protagonist Papst Franziskus in dem Film "Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes"
Regisseur Wim Wenders und sein Protagonist Papst Franziskus in dem Film "Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes" © imago/ZUMA Press
Von Arno Orzessek  · 12.06.2018
Regisseur Wim Wenders hat anlässlich seines Papst-Films "Ein Mann seines Wortes" ein Gespräch mit der "Welt" geführt und Franziskus in höchsten Tönen lobt. "FAZ"-Autor Bert Rebhandl meint, Wenders habe dem Papst eine zu große Bühne errichtet.
"Mama, ich lass dich ausstopfen" – zitiert die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG per Überschrift den britischen Spaßmacher John Cleese ...
Dessen Auftritt in der Frankfurter Alten Oper Hannes Hintermeier einen "umwerfenden Abend" bereitet hat.

Was macht einen Witz aus?

"Nach der Pause geht es an die Wurzeln des Gewerbes. Was macht einen guten Witz aus, warum funktioniert er? Vielleicht so: Was ist schwarz und weiß und kriecht auf dem Boden herum? Eine verletzte Nonne. Cleese sattelt sein Ross, lässt das Visier herunter und reitet gegen jedwede Korrektheitsideologie. (...) Sogar die eigene Mutter (...) kommt nicht ungeschoren davon. Sie lebt am Ende, von Depressionen geplagt, in einem Pflegeheim. Der Sohn telefoniert regelmäßig mit ihr, und hört ebenso regelmäßig von ihr, er werde sie nach ihrem Tod schrecklich vermissen. 'Vielleicht behält sie ja eines Tages recht', sagt Cleese (in Frankfurt) über die längst verstorbene Mutter."
Der Schauspieler John Cleese vom britischen Komikerensemble Monty Python
Der Schauspieler John Cleese vom britischen Komikerensemble Monty Python© AFP / Bjorn Sigurdson
Soweit der FAZ-Autor Hannes Hintermeier über John Cleese, der einst mit Monty Python Weltruhm erbeutet hat, wie selbst zu vielen Jüngeren durchgedrungen ist.
Nebenbei: Cleese' Tournee steht unter dem Motto "Last time to see me before i die" – was wir ihm zu Ehren mit Letzte Chance, mich vor dem Abkratzen zu besichtigen übersetzen würden.

Wim Wenders und der Papst

Nun ein atmosphärischer Weitsprung – wir springen von John Cleese zu Papst Franziskus.
Genauer gesagt, zu dem Regisseur Wim Wenders, der anlässlich seines Papst-Films "Ein Mann seines Wortes" ein Gespräch mit der Tageszeitung DIE WELT führt und Franziskus in höchsten Tönen lobt.
"Wir wissen, dass alles immer unmoralischer abläuft und die Mächtigsten unserer 'World Leader' uns immer tiefer in den Dreck hineinziehen, weil sie längst jenseits jeder Moral agieren, und nur noch den Interessen der Wirtschaft gehorchen. Und dann kommt einer, der uns das alles noch einmal verständlich sagt und glaubhaft vor Augen führt: Wir brauchen eine moralische Revolution! Und weil er das nicht nur sagt, sondern auch lebt, kann man sich dem nicht entziehen. Selbst die zynischen Gutmenschenkritiker nicht."
Ergriffen von Papst Franziskus: Wim Wenders in der WELT.
Vielleicht ein bisschen zu ergriffen – würde Bert Rebhandl wohl einwenden.
Der FAZ-Autor unterstellt jedenfalls, Wenders habe mit "Ein Mann seines Wortes" einen Papst-Film gedreht, "der an einem wirklichen Porträt nicht interessiert ist, sondern letztlich doch vor allem dem Plaudercharisma eines sympathischen Idealisten eine große Bühne errichtet."
Das ist kritisch formuliert, aber nicht so ätzend wie die Überschrift "Plumpes Ding mit Nabel" in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.
Zwar ist "plumpes Ding mit Nabel" eine Übertragung des aztekischen Wortes "Xitomatl", das einst jene ursprünglich südamerikanische Frucht bezeichnet hat, die wir als Tomate kennen ...

Gezielte Häme gegen Schrott

Aber! Da der SZ-Autor Nicolas Freund das neue Buch von Raoul Schrott, "Politik & Ideen", in dem die Tomate der Illustration der "amorphen 'Rahmenbedingungen von Kultur'" dient, gar nicht gelungen findet, betrachten wir die Überschrift "plumpes Ding mit Nabel" als gezielte Häme gegen Schrotts Werk.
Es handelt übrigens von Migration, aber laut dem SZ-Autor Freund in unzureichender Weise.
"Schrott versucht zu erklären, dass in möglichst großen Kooperationen, im Gegensatz zu Abschottungen, nicht zuletzt wirtschaftlicher Nutzen steckt. 'Migration befördert also das Wirtschaftswachstum' (so Schrott). Der Fehler liegt schon im Ansatz: Migration kann und darf nicht Objekt einer Kosten-Nutzen-Rechnung sein",
behauptet der SZ-Autor Nicolas Freund mit Franziskus-artigem Idealismus.
Die im Kern selbst idealistische TAGESZEITUNG dagegen gönnt sich mal wieder Sarkasmus.
Ambros Waibel geißelt die Widersprüche zwischen dem hehren Selbstbild der Italiener als anständigen Menschen und ihrem Unwillen, weitere Flüchtlinge aufzunehmen – und zwar unter dem Titel: "Nett ertrinken lassen."
Unterdessen rufen wir allen Hörern, die keinen Grund haben, ihr Leben auf einer Bootsfahrt übers Meer zu riskieren, mit einer SZ-Überschrift zu:
"Liebe Dein Schicksal."
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