Aus den Feuilletons

Ein Trauerfall, ein Land, ein Ruck

Bruno Ganz
Der Schweizer Schauspieler Bruno Ganz - er starb am 16. Feburar 2019. © picture alliance / dpa / Foto: Ettore Ferrari
Von Burkhard Müller-Ullrich · 17.02.2019
Der Schauspieler Bruno Ganz war einer der Großen seiner Zunft. Kein Feuilleton, das ihn heute nicht würdigt. Ganz sei kein Verführungs-, sondern ein Vorführkünstler gewesen, schreibt die "FAZ". Und die "SZ" sieht ihn ihm einen Halbgott.
"Alles geben die Götter, die unendlichen/Ihren Lieblingen ganz."
Dieses Goethe-Gedicht fiel dem Schweizer Schriftsteller Adolf Muschg bei der Nachricht vom Tod seines sieben Jahre jüngeren Landsmannes, des Schauspielers Bruno Ganz ein. In seinem Text für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG wird fast ein Wortspiel daraus: "Alle Freuden, die unendlichen/Alle Schmerzen, die unendlichen, ganz."
Und dann schreibt Muschg allen Ernstes: "Dieser Ganz war kein Ganzer" – und man bekommt ein mittelschweres Fremdschäm-Gefühl wie bei so mancher bombastischen Feuilleton-Formulierung auch andernorts, beispielsweise in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, wo Christine Dössel über den "schon zu Lebzeiten halbgöttlichen Schauspieler" schwadroniert: "Wenn einer wie Bruno Ganz stirbt, geht ein Ruck durchs Land."

Ganz-Schnipsel und ein Hochamt

Bei der WELT ist der Landruck nicht so richtig angekommen; die haben überhaupt keinen Autor, der einen kompletten Nachruf schreibt, sondern nur lauter 30-Zeilen-Schnipsel verschiedener Provenienz, und natürlich erst recht keinen Gerhard Stadelmaier. Der vor drei Jahren in den Ruhestand getretene Theaterkritiker der FRANKFURTER ALLGEMEINEN beschert uns nochmal das Vergnügen eines feierlichen Formulierungs-Hochamtes.
"Bruno Ganz war in allem, was er darstellend unnachahmlich vergegenwärtigte und also der Gegenwart als etwas ihr Fremdes, Widerständiges entgegenhielt, ein großer Vergolder", heißt es in diesem Nachruf – und: "Dieser brillante Schauspieler war zwar ein auch durchaus zum weichen Sentiment aufgelegter Demonstrator, aber nicht eigentlich ein Verwandler. Der Antityp zu Bernhard Minetti oder auch zu Gert Voss: Die beiden großen Verführer machten ihre Körper, wie es Minetti einmal sagte, ‚zu einem Acker‘. Ganz war ein Vorführkünstler, kein Verführungskünstler. Sein Acker war allein sein Kopf."

Broschüre für den Umgang mit Rechten

In derselben FAZ fällt ein kurzer Kommentar von Paul Ingendaay ins Auge, der von etwas handelt, was man durchaus als Kulturkampf bezeichnen kann. Und zwar als linken Kulturkampf in der Pose der Entrüstung über einen Kulturkampf von rechts. Es geht um eine Broschüre einer mit Steuergeldern von Bund und Land reichlich geförderten Organisation namens "Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin". Die Broschüre mit dem Titel "Alles nur Theater? – Zum Umgang mit dem Kulturkampf von rechts" wurde am Donnerstag von dem linken Berliner Kultursenator Lederer und dem Intendanten des Deutschen Theaters Ulrich Khuon vorgestellt.
"Eine der ersten Figuren, die in der Studie namentlich attackiert werden, ist der Literaturkritiker und ehemalige Feuilletonchef der 'Zeit' Ulrich Greiner", stellt Paul Ingendaay in der FAZ fest. "Konkret geht es um einen Artikel vom 13. Januar 2013, in dem Greiner in Zweifel zieht, das politisch korrekte Umschreiben von Kinderbüchern, von 'Pippi Langstrumpf' bis Otfried Preußlers 'Die kleine Hexe', sei ein Fortschritt. Ich habe nicht das Vergnügen, Ulrich Greiner zu kennen. Ich lese nur seit dreißig Jahren seine Artikel. Und wie bei ihm üblich, wird auch in dem beanstandeten Text vor allem argumentiert."

Versuch der Ehrenrettung

Ingendaay unternimmt mit geradezu aufreizender Sanftheit den Versuch, einen über jeden Extremismusverdacht erhabenen Intellektuellen wie Greiner gegen Pöbeleien zu verteidigen. Erst dann schreibt er: "Wer sich als Journalist der demokratischen Mitte zurechnet, in der es einmal legitimerweise rechts und links gab, so wie es rund und eckig gibt, Tag und Nacht, Ebbe und Flut, wird sich solche ideologiegesteuerten Einordnungen verbitten. Dass Fördergelder des Landes und des Bundes dafür eingesetzt werden, solche Diffamierung zu finanzieren, ist bodenlos."
Zum Schluß noch ein Hinweis auf die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG: Unter der Überschrift "Gefährliche Geberlaune" problematisiert Adrian Lobe die millionenschweren Spenden großer Konzerne an Wikipedia. Google und Amazon sind darunter und greifen dafür gratis die Wikipedia-Inhalte ab – so wie das ja auch jeder Privatmensch darf. Nur verdienen die Großen damit eben großes Geld. Lobes Fazit in der SZ lautet deshalb: "Der Commons-Gedanke steckt im Informationskapitalismus in einer Zwickmühle."
Mehr zum Thema