Aus den Feuilletons

Ein symbolischer Augenblick

"La La Land"-Produzent Jordan Horowitz stellt klar, dass wirklich nicht er den Oscar für den besten Film gewonnen hat, sondern die "Moonlight"-Crew.
"La La Land"-Produzent Jordan Horowitz stellt klar, dass wirklich nicht er den Oscar für den besten Film gewonnen hat, sondern die "Moonlight"-Crew. © AFP / Mark RALSTON
Von Hans von Trotha · 27.02.2017
So etwas hat es bei den Oscars noch nie gegeben: Das Team des Musicals "La La Land" feiert bereits seinen Oscar. Doch dann bricht der Jubel ab, nicht "La La Land" hat gewonnen, sondern das Drama "Moonlight". Wie konnte das passieren? Interpretationen in der Kulturpresseschau.
Wenn nichts ist, was es ist, sondern alles ein Zeichen für etwas anderes, dann gilt das natürlich erst Recht für die Oscar-Verleihung. Und damit auch für die Panne am Ende. Auch die Panne ist nicht einfach Panne, sondern ... nun ja, da gibt es verschiedene Interpretationen.
Während der TAGESSPIEGEL die Szene als "unfreiwillig symbolische(n) Augenblick" so beschreibt:
"Da gewinnen die Afroamerikaner, aber die Weißen machen die Bühne erst mal nicht frei",
nennt Vernea Lueken das Verhalten der "La-La-Land"-Truppe in der FAZ "phantastisch kollegial", und Hannes Stein trocknet , indem er die Wahrheit hinter der Panne hervorholt, in der WELT letzte Tränen der Rührung:

Eine politische Botschaft

"In Wahrheit verbarg sich aber auch in diesem Malheur eine politische Botschaft, die weit über diesen Abend hinausreicht. Denn `La La Land´ ist ein Film mit lauter weißen Darstellern, in dem viel getanzt und gesungen wird – `Moonlight´ dagegen handelt davon, wie es sich anfühlte, als schwarzer Schwuler in Miami aufzuwachsen. Und die natürliche Höflichkeit, man möchte beinahe schreiben: Grazie, mit der das Team von `La La Land´ den Oscar an die schwarzen Kollegen weitergab, nachdem das Missverständnis aufgeklärt war, erwärmte das Herz. ... So",
findet Steinitz,
"wie nach diesem dummen Missgeschick sollten Amerikaner, sollten Weiße und Schwarze, sollten Menschen überhaupt miteinander umgehen – das war die Botschaft, die Hollywood hier aussandte."
Dieses "Hollywood sollte in den kommenden Jahren ... weit mehr auf die Reihe kriegen, als am Ende einer langen Nacht die richtigen Sieger zu verkünden", mault ein ohnehin ziemlich schlecht gelaunter Andreas Busche im TAGESSPIEGEL.
"Die bizarre Zettelwirtschaft während der Siegerverkündung" fand er "symptomatisch. Die Branche muss sich an die neukulturelle Vielfalt, die diesjährige Oscar-Verleihung präsentierte, scheinbar noch gewöhnen. Sie sollte, setzt er gleich nach,
"zukünftig aber auch die ökonomischen Strukturen stärken, die diese Vielfalt überhaupt erst ermöglichen."

Eine gewisse "Wetten, dass..?"-haftigkeit

In der SÜDDEUTSCHEN meint David Steinitz:
"Das Schöne an dieser Panne ist, dass sie einen dringend notwendigen Riss in der makellosen Fernsehshow-Fassade dieses Abends verursachte. Denn bei allem Glamour wird auch die Oscarverleihung mit ihren Glitzerfummel-Gesangsauftritten eine gewisse `Wetten, dass..?´-haftigkeit partout nicht los."
Womit wir, rums, von den Höhenflügen Hollywoods zurück zu Hause wären, in den Niederungen des deutschen Fernsehens. Nicht dass es da nicht auch hoch her gegangen wäre am Sonntagabend. Zwei Stichworte: Erstens: "Viel Empörung", zweitens, neues Wort: "Impro-Tatort".
"44 Prozent der Befragten", schreibt Katharina Riehl in der SÜDDEUTSSCHEN,
"gaben `Babbeldasch´, dem ersten improvisierten Film der Tatort-Geschichte, eine 6, und 18 Prozent eine 5. Eine solide Mehrheit also für die volle Verachtung, die im Zusammenspiel mit den unwahrscheinlich vielen hasserfüllten Kommentaren bei Facebook und Twitter vor allem mal wieder Erstaunen darüber weckt, welche Emotionen so ein Fernsehkrimi auslösen kann."
Was vielleicht daran liegt, dass auch der Tatort eben nicht nur ist, was zu sein er scheint. Der Tatort ist kein Fernsehkrimi, der Tatort ist Deutschland. Mindestens.
"Das Problem d(ies)es Films", analysiert Katharina Riehl, ist übrigens "nicht, dass er kein ausgearbeitetes Drehbuch hat, sondern das, was in diesem nur knappen Drehbuch drinstand."

Am Ende ist immer das Buch Schuld

Denn am Ende ist immer das Buch Schuld. Auch an der Oscar-Verleihung übrigens. Gabriela Tscharner Patao weiß in der NZZ sogar, wer sich dieses Horror-Szenario für die vergebens gegen ihre `Wetten, dass..?´-Haftigkeit ankämpfende Gala ausgedacht hat:
"Ich habe das Ende der Academy Awards 2017 geschrieben",
twitterte umgehend kein Geringerer als M. Night Shyamalan, Regisseur von Horrorstreifen wie "The Sixth Sense". Für den Babbel-Tatort hat er die Verantwortung zumindest bislang nicht übernommen.
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