Aus den Feuilletons

Ein pessimistischer Blick auf Sex

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Zwei zusammengewachsene Möhren.
Irgendwie abgetörnt: Der Philosoph Slavoj Žižek schreibt in der "Süddeutschen Zeitung" über Sex. © imago images / Bildgehege
Von Arno Orzessek · 15.01.2021
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Der Philosoph Slavoj Žižek schreibt in der "SZ" über Sex. Erotisch ist daran nichts. Sein Text bleibt eher trostlos: Es sei ein "stupider Akt", würden Aliens Menschen dabei beobachten, würden sie es als etwas "sehr Dummes" auffassen.
Was Sie von dem Philosophen Slavoj Žižek schon immer über Sex wissen wollten, das erfahren Sie ganzseitig in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Aber versprechen Sie sich bitte keine erotische Stimulation.
"Sex an sich ist ja nichts anderes als ein stupider Akt. Stellen Sie sich vor, Aliens würden uns beobachten. Die würden Sex als etwas sehr Dummes auffassen. Warum legen sich Menschen aufeinander und führen einige repetitive Bewegungen aus? Und Während des Sex wollen Menschen, dass man ihnen schmutzige Dinge sagt. Warum? Man hat ja schon die Sache selbst, also Sex. Warum braucht man verbale Supplemente? Offensichtlich brauchen wir Fantasien. Und das ist dann zugleich auch meine pessimistische Sicht auf den Sex. Wir nutzen den anderen als Masturbationstoy. Sex ist letztlich nichts anderes als Selbstbefriedigung mit einem realen Partner." Irgendwie abgetörnt: Slavoj Žižek in der SZ.
Um eine Problemzone menschlicher Existenz dreht sich auch der Artikel "Die Haut wird dünner" in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Melanie Mühl denkt über das Wesen von Kränkungen nach und warnt:
"Es ist riskant, die Kränkung reflexhaft als Verweichlichung abzutun und sie auf eine Stufe mit dem Beleidigtsein zu stellen. Im Gegensatz zur Wut, die sich meist rasch entlädt, finden Kränkungen oft sehr lange kein Ventil. Dann summiert sich Verletzung um Verletzung. In schweren Fällen droht das 'Verbitterungsyndrom'."

Kränkungen und Corona

Laut Mühl gibt es auch einen Zusammenhang zwischen Kränkungen und Corona:
"Dass die weltweit durchgeführten Impfungen zumindest bislang nicht mehr als ein fahles Licht am Ende des Tunnels sind, auch das ist eine Kränkung. Seit Monaten warnen Experten eindringlich vor einer dritten Welle, deren Dramatik angesichts des zweiten Lockdowns vollkommen in den Hintergrund geraten ist: Es ist die Welle der psychischen Erkrankungen. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde hat längst eine 'übergeordnete Public-Health-Strategie' gefordert. Das Nervenkostüm ist dünn geworden in den vergangenen Wochen. So dünn, dass Kränkungen ein leichtes Spiel haben. Ihre zerstörerische Macht zu unterschätzen wäre fatal."

Sehnsucht nach Europa

Unterdessen erklärt der britische Schriftsteller Julian Barnes in der Tageszeitung DIE WELT, was er in der Pandemie am meisten vermisst:
"Ich habe darüber oft mit Freunden gesprochen, und wir sagten dann immer, dass wir Restaurantbesuche vermissen, den Besuch von Museen, Konzerten und so weiter. Ich habe da ein paar Wochen mitgespielt, aber jetzt sage ich immer: 'Ich vermisse Europa.' Und das stimmt, ich vermisse es ganz schrecklich. Ich liebe es, dort zu sein, dort zu arbeiten und aus der Ferne auf mein eigenes Land zu blicken." Der Herzens-Europäer Julian Barnes in der WELT.

Die Streber

In der TAGESZEITUNG zeigt ein Foto, aufgenommen am Kreuzberger Urban-Hafen, Heinz Bude, Bettina Munk und Karin Wieland. Die drei Autoren des Hausbesetzer-Romans "Aufprall", der im Berlin der 80er Jahre spielt. Warum die Grünen in der Geschichte "praktisch nicht vorkommen", will die TAZ wissen.
"Die Grünen sind die Streber", antwortet Karin Wieland. "Das sind die, die genau wissen, wie sie leben wollen, wie alles aussehen und sein soll und wie sie an dieses Ziel kommen. Und sie nerven wahnsinnig mit ihrer Idee von Stadtteilfesten, Sozialprojekten und womit sie sonst noch so die anderen einbinden wollen. Für die 'Aufprall'-Gruppe war das der pure Kitsch. Die Alternative Liste, wie sie in Berlin hieß, war eine Partei, die weder intellektuell noch künstlerisch aufgeschlossen war."
Preisfrage zum Schluss: Welche Zeitung sieht eine Vermögensabgabe für Reiche sehr skeptisch und behauptet "Nein, die Kluft zwischen oben und unten ist nicht gewachsen" - die linksliberale SZ oder die konservative WELT?
Tja, es ist die SZ. So kann man sich täuschen, gell? Okay, das war’s. Bliebe nur noch zu klären, welche Kunst in der Pandemie die wichtigste ist. Aus unserer Sicht ist es, mit einer Überschrift des Berliner TAGESSPIEGEL, die "Überlebenskunst."
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