Aus den Feuilletons

Ein Brückenbauer zwischen den Welten

Der greise Dedeciuslächelt milde. Hinter ihm sieht man unscharf weitere Menschen sitzen.
Der polnische Autor und Übersetzer Karl Dedecius am 28.11.2013 an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) beim Festaktes zur Gründung der Stiftung des "Karl Dedecius-Literaturarchives". © Patrick Pleul/dpa
Von Adelheid Wedel · 28.02.2016
Er war ein bedeutender Vermittler moderner polnischer Literatur: Karl Dedecius ist im Alter von 94 Jahren gestorben. Die Feuilletons ehren den deutsch-polnischen Übersetzer, Die "Welt" nennt ihn "den Zauberer von Lodz und einen Sprachwandler zwischen den Sprachwelten".
"Ich werde den Deutschen etwas zurückgeben,"
sagte der türkische Student Senail Özkan, als er in den 80er-Jahren in Bonn studierte. "Er hat Wort gehalten", schreibt Wolfgang Günter Lerch in der frankfurter ALLGEMEINEN ZEITUNG.
"Özkan gilt heute als der bekannteste Vermittler deutscher Kultur in der Türkei."
Als Philosoph, Autor und Übersetzer versucht er
"im Sinne Goethes, östliches und westliches Denken anzunähern. Goethe mit dem 'West-östlichen Divan' ist ihm dabei das überragende Vorbild."

Der 1955 geborene Gelehrte kam 1978 nach Deutschland, bis heute wirkt er
"– ungeachtet der aktuellen politischen und terroristischen Konfrontationen -"

Vermittler zwischen Orient und Okzident

als Vermittler zwischen Orient und Okzident. 1998 kehrte er in die Türkei zurück und lebt heute in Istanbul. Er beschäftigt sich bevorzugt mit der Orient-Rezeption Goethes, auch mit den Gedanken von Nietzsche und Schopenhauer. Als bleibend wird Özkans Übersetzung von Goethes "Die Leiden des jungen Werthers" eingestuft, auch weil der türkische Wissenschaftler dem Text einen großen Epilog hinzufügte, der die gesellschaftlichen und literarischen Verhältnisse jener Jahre behandelt, in denen Goethes erster Geniestreich entstand.
In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG berichtet Sonja Zekri von einem Vorfall, der Schule machen könnte. Unter der Überschrift "Ein paar Takte Pause vom Krieg" schildert sie die Wirkung eines Konzerts an der deutschen Botschaft in Bagdad. Der deutsche Pianist Florian Hainisch und der irakische Cellist und Dirigent des Nationalorchesters Karim Wasfi hatten in die deutsche Botschaft eingeladen, um gemeinsam Musik von Beethoven und Brahms zu spielen. "Die Idee", so erinnert die Autorin,
"entstand im August 2014. Der IS stand 30 Kilometer vor Bagdad. Man wollte dem Morden etwas entgegensetzen, ein Signal, ein symbolisches Zusammenspiel in Zeiten, in denen die Steinzeitkrieger dem Irak und der friedlichen Welt den Krieg erklärten."
Wasfi stellte sich hinter die Idee mit den Worten, "man müsse Menschen der Schönheit aussetzen, damit sie den Tod besiegen." Die Wirkung setzte ein. Zekri beobachtete,
"als das dramatische Ende der Brahms-Sonate erklingt, gelingt auch hier der Zauber, rücken Gewalt und Tod für Sekunden in weite Ferne, fällt die Nachmittagssonne golden auf die Wachtürme der Botschaft, scheint die Möglichkeit einer anderen Welt auf."

Ein Konzert für Flüchtlinge

Im TAGESSPIEGEL informiert der Intendant der Philharmoniker Martin Hoffmann über ein Konzert für Flüchtlinge am kommenden Dienstag in Berlin, und er spricht über seinen Abschied. Schwierig sei es gewesen, so Hoffmann, einen gemeinsamen freien Termin für alle drei großen Berliner Orchester zu finden. Nun aber können wir in der Philharmonie die Staatskapelle und Daniel Barenboim mit Mozarts D-Moll-Klavierkonzert erleben, das Konzerthausorchester unter Ivan Fischer mit Musik von Prokofjew und die Philharmoniker mit Simon Rattle und Beethoven-Musik.
"Wir wollen die Flüchtlinge einladen, unsere Kultur zu entdecken. Das Konzert soll ein sichtbares Zeichen für unsere Solidarität setzen",
zwei Projekte stehen dafür: Das Ecucation-Programm "Vokalhelden", bei dem es ums gemeinsame Singen geht, wird künftig auch für Kinder von Flüchtlingsfamilien angeboten. Das Projekt Lokalhelden verpflichtet jeweils einen Musiker oder Mitarbeiter einen Geflüchteten zu Chorproben oder der Generalprobe zu begleiten.
In den Montagsausgaben der Feuilletons ehren zahlreiche Nachrufe den jetzt im Alter von 94 Jahren verstorbenen deutsch-polnischen Übersetzer und Literaturvermittler Karl Dedecius. Die WELT nennt ihn "den Zauberer von Lodz und einen Sprachwandler zwischen den Sprachwelten". In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG schreibt Thomas Urban, Karl Dedecius gelang es, die
"völlige Sprachlosigkeit, die nach den Schrecken von Krieg und Vertreibung mehr als ein Jahrzehnt lang zwischen der deutschen und der polnischen Gesellschaft herrschte, zu durchbrechen. So stellte er die Weichen für einen kulturellen Austausch, der über die Tagespolitik erhaben war."
Mehr zum Thema