Aus den Feuilletons

Ein Angriff auf die Kultur im Ganzen

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Gemeinsame Trauer - am Place de la Republique in Paris © picture alliance / dpa / ©francois Lafite/Wostok Press
Von Klaus Pokatzky · 15.11.2015
Nach den Anschlägen von Paris sind noch viele Fragen offen. In den Feuilletons sind sie das zentrale Thema, der Berliner "Tagesspiegel" fragt: "Was wäre, wenn auf der Oranienstraße oder in der Simon-Dach-Straße geschossen würde?" - plötzlich zeige sich, wie nah Paris ist.
"Es ist eine ganz normale Pariser Gegend mit ihren ganz normalen Problemen."
Das lesen wir in der Tageszeitung DIE WELT.
"In dieser Nacht wird sie zum Katastrophenszenario",
Bilder, wie man sie aus Kriegsgebieten kennt
schreibt Bodo Mrozek, der Berliner Historiker und Journalist, der an einer Konferenz in Paris teilgenommen hatte und den Freitagabend in der ganz normalen Gegend ausklingen lassen wollte:
"Inzwischen sind auf Motorrädern Reporter mit schusssicheren Westen eingetroffen, die ihre Kameras mit routinierten Bewegungen schultern – Bilder, wie man sie aus Kriegsgebieten kennt."
Kann es nach diesem Freitag noch ganz normale Gegenden in einer europäischen Metropole geben?
"Paris ist nah",
heißt es im Berliner TAGESSPIEGEL.
"Was wäre, wenn auf der Oranienstraße oder in der Simon-Dach-Straße geschossen würde?",
fragt Fabian Federl mit zwei angesagten Vergnügungsmeilen in der deutschen Hauptstadt:
"Der 13. November war ein Angriff auf Kultur im Ganzen, auf Menschen, die sich begegnen im Speziellen – auf Leben im öffentlichen Raum."
Claus Leggewie war in Paris bei einem Vorbereitungsgespräch zum Weltklimagipfel, der dort in zwei Wochen stattfinden soll.
"Für mich geht die urbane Welt unter, in die ich noch einmal für einige Stunden eingetaucht war",
schreibt er in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung:
"Alle wollen vom Klima reden, der IS führt Krieg."
Und wie dem Krieg begegnen?
Gewalt ist ihnen Lustgewinn
"Die Gewalttat ist ihnen Lustgewinn",
"Ihr Traum: die Franzosen gegeneinander aufzubringen, die muslimische Gemeinschaft zu isolieren und angreifbarer zu machen",
schreibt der Schriftsteller Pascal Bruckner aus Paris.
"Sie stellen uns die Falle der blinden Erpressung, in die die gesamte extreme Rechte zu tappen scheint. Je besser wir die muslimischen Franzosen, die französischen Muslime schützen, desto klarer machen wir die Vorhaben dieser Gotteskrieger zunichte."
Und schon beginnt die Debatte, ob sich unter den Flüchtlingen, etwa aus Syrien, islamistische Terroristen in Europa einschleichen.
"Diese Terroristen sind ja keine Flüchtlinge",
sagt im Interview mit der FRANKFURTER ALLGEMEINEN Asiem El Difraoui:
"Leute, die sich solche Ziele aussuchen, kennen das Viertel ganz genau. Sie sind schon lange hier, nicht erst seit zwei Wochen."
Der Politologe Asiem El Difraoui berät französische Regierungsbehörden in Fragen der Dschihadismusprävention. Er kennt sich aus mit jungen muslimischen Franzosen:
"Um zu verhindern, dass sie den Islamisten in die Hände fallen, muss man eine europaweite Debatte anstoßen: Was ist unsere Identität? Wie vermitteln wir den jungen Leuten, dass diese Gesellschaften die besten sind, die es gibt? Dass man trotz des Rassismus viel umsetzen kann, dass man auch seine Religion hier wesentlich besser leben kann als in Saudi-Arabien oder in Ägypten? Das müssen wir schaffen."
Keine Panik in den Medien?
Und was haben die Medien geschafft, wie sind sie mit dem Terror von Paris umgegangen?
"In den Talks von Plasberg und Illner wurde keine Panik geschürt",
meint der TAGESSPIEGEL. Das machen dafür andere.
"Ich schätze mal, der Terror von Paris wird auch unsere Debatten über offene Grenzen und eine Viertelmillion unregistrierter junger islamischer Männer im Lande in eine ganz neue frische Richtung bewegen."
So zitiert der TAGESSPIEGEL, was Matthias Matussek, Kolumnist der WELT, auf Facebook geschrieben hatte.
"Der Post endete mit einem lachenden Smiley", schreibt Joachim Huber und zitiert Matusseks Chef bei der WELT Jan-Eric Peters:
"Ich distanziere mich im Namen der 'Welt'."
Darauf wieder Matussek:
"Diejenigen, die mich kennen, wissen, dass es als Ausdruck sarkastischer Verzweiflung gemeint war."
In solchen Tagen zeigt sich, wer Stil hat – und wer nicht.
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