Aus den Feuilletons

Edelweiß und Edellust

Von Tobias Wenzel |
Die SZ befasst sich mit kanadischen Pornos und druckt blasse Pobacken, die FAZ berichtet über den Putin-Schwur des designierten Münchner Generalmusikdirektors und die TAZ beschäftigt sich mit wählerischen Katzen.
"Es ist Frühling in den österreichischen Alpen und die Hügel sind voller Edelweiß & Edellust", das, klärt Bernadette Calonego in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG auf, ist der Name eines Pornofilms, der im kanadischen Fernsehen gelaufen ist und – wer würde es bestreiten? – so gar nicht nach Kanada klingt. 35 Prozent aller Sendungen im dortigen Fernsehen müssen aber einen sichtbaren kanadischen Bezug haben. Auch Pornofilme.
Die SZ-Autorin zitiert einen kanadischen Leserbriefschreiber: "Kanadischer Gehalt? Wie wäre es mit Ahornsirup anstelle von Babyöl." Der Bildredakteur der SZ scheint seinen eigenen Vorschlag zur Lösung des Problems gemacht zu haben: Die Zeitung druckt das Foto eines nackten Frauen-Hinterns ab. Ein Sonnen-Tattoo in Form eines Ahornblatts schmückt eine der beiden blassen Pobacken.
"Eine starke Zukunft unserer Kultur"
Ihre nackte Haut und mehr noch habe Katja, die vom "Bachelor" Auserwählte und Tochter von Bordellbetreibern, selbst verkauft, als Edelprostituierte, behauptet die offensichtlich tief in diesem Milieu verwurzelte BILD-Zeitung. Ob das auch der SZ-Autor gelesen hat, der über Saša Stanišić, den Gewinner des Leipziger Buchpreises in der Kategorie Belletristik, berichtet, seinen Artikel aber so beginnen lässt:
"Am Mittwoch nahm Katja aus der Ukraine die letzte Rose vom RTL-Bachelor an, einen Tag später ging der Blumenstrauß der Leipziger Buchmesse an Katja aus der Ukraine vorbei – nicht an der schmachtenden freilich, sondern an der schreibenden."
Vermutlich schämte sich der SZ-Autor noch während des Schreibens dieser Sätze so sehr dafür, dass er die feinsinnige Schriftstellerin Katja Petrowskaja in den Zusammenhang mit den Hühnern dieser Schmieren-Reality-Show in Verbindung brachte, dass er seinen Namen lieber hinter dem Kürzel „MIDT“ verbarg.
Valery Gergiev, der designierte Generalmusikdirektor Münchens, hat seine Strategie aufgegeben, seine Meinung zur Besetzung der ukrainischen Halbinsel Krim durch die Russen zu verbergen. Der Dirigent und Freund Putins unterschrieb als einer von 300 russischen Künstlern einen Aufruf, wie Eleonore Büning in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG berichtet.
"Wir wollen, dass die Gemeinschaft unserer Völker und unserer Kulturen eine starke Zukunft hat", heißt es in der Erklärung. "Deshalb erklären wir felsenfest, dass wir die Position des Präsidenten der Russischen Föderation zur Ukraine und der Krim unterstützen."
Ein regelrechter "Schwur" sei das, meint Eleonore Büning und fordert für den Fall, dass das russische Militär auf der Krim "tätig" werde, den Vertrag mit dem zukünftigen Generalmusikdirektor aufzulösen. München könne sich so etwas nicht leisten.
Katzen manipulieren Menschen
Ebenfalls in der FAZ nennt Friedrich Schmidt ein Beispiel dafür, was jenen Russen droht, die mutig kritisch bleiben. Das Nachrichtenportal "lenta.ru" veröffentlichte am Montag ein Interview mit Dmitrij Jarosch, einem führenden Aktivisten des sogenannten "Rechten Sektors". Diesen Aktivisten wirft Moskau einen "faschistischen Umsturz" in der Ukraine vor. Jarosch sagt in dem Interview, die Hälfte der Mitglieder seiner Gruppierung spreche Russisch und komme aus dem Osten der Ukraine.
Auch russische Staatsbürger hätten zusammen mit ihm "auf den Barrikaden gekämpft". Außerdem verlinkte das Internetportal auf ein altes Interview mit dem ukrainischen Aktivisten Jarosch. Der Titel: "Früher oder später sind wir dazu verurteilt, gegen das Moskauer Imperium Krieg zu führen". Die Chefredakteurin des Portals wurde daraufhin abgesetzt. Ihr Nachfolger stammt der Redaktion zufolge "direkt aus den Amtszimmern des Kremls".
Hoffentlich tummeln sich im Kreml viele Katzen. Ihnen wäre eine Revolution zuzutrauen. Katzen manipulieren nämlich Menschen, schreibt die TAZ und zitiert den Verhaltensforscher Kurt Kotrschal mit den Worten: "Je emotional instabiler der Mensch, desto mehr beansprucht er die Katze als Unterstützer. […] Die Katzen labiler Menschen waren bei den Untersuchungen die wählerischsten, was das Futter angeht."