Aus den Feuilletons

Digitalisierung: Horror oder wunderschön?

Transmediale
Die Transmediale findet in Berlin im Haus der Kulturen der Welt statt © Deutschlandradio / Jana Demnitz
Von Ulrike Timm · 05.02.2017
Anlässlich des Medienkunstfestival Transmediale sinniert der Tagesspiegel über Macht und Ohnmacht der Digitalisierung, während sich die Zeitungen hinsichtlich des neuen Spiegel-Covers überraschend einig sind.
"Die Zukunft wirkt auf den ersten Blick ziemlich niedlich", lesen wir im TAGESSPIEGEL. "Im Jahr 2049, nach einer verheerenden Klimakatastrophe, herrscht ein kleines, süßes Kätzchen über die Menschheit. Es kümmert sich um alle Belange des Lebens. Es beobachtet uns, aber nicht wie Big Brother, sondern wie eine liebende Schwester. Es behält unsere Gesundheit im Auge, belüftet unser Appartement, sorgt dafür, dass die Luft und das Wasser sauber sind. Es liebt uns. Ganz, ganz doll."
Das einnehmende Katzenvieh gehört zur Ausstellung "Alien Matter" beim Medienkunstfestival Transmediale, die sich mit Macht und Ohnmacht der Digitalisierung beschäftigt. Bei wem liegt die Handlungsmacht? Bei uns oder den Maschinen? Ist diese Unterscheidung überhaupt noch so klar zu ziehen?
Der TAGESSPIEGEL hat sich umgeschaut unter Robotern, die von schneebedeckten Bergwipfeln träumen, unter Menschen, die philosophische Texte rezitieren, die wiederum von künstlichen Intelligenzen geschrieben wurden, und eben unter virtuellen Katzen. "Man selbst steht dazwischen, unentschlossen, ob man das als Horror empfinden soll, als Klamauk oder als einfach nur schön", hadert Giacomo Maihofer mit sich.

Alles Digitale Teufelszeug?

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG hörte auf diesem Medienkunstfestival eher bei den Podien und Diskussionsforen zu, keine Katzen, keine Bergwipfel, keine Roboterphilosophie. Droht darum ein rundum dreinhauender kulturpessimistischer Besinnungsaufsatz à la "alles Digitale mutiert zu Teufelszeug"? Nein, Jens-Christian Rabe hat "nüchternen Optimismus" als Leitmotiv ausgemacht, nüchternen Optimismus, weil es eben auch in Zeiten scheinbarer Entmachtung des Menschen durch Maschinen immer wieder die "Mikroentscheidungen" sind, die den Ausschlag geben – denn es ist immer noch der Mensch, der die Maschine füttert und in Gang setzt.
"Viel stärker als in den vergangenen Jahren schien diesmal überhaupt der so unerschrockene wie tatendurstige Galgenhumor der Kunst und Künstler einen Ausweg zu weisen. Als ob sie nach Jahren, in denen der Schock über die dunklen Seiten der Digitalisierung die Gedanken schwer machte, endlich das Gefühl haben, genug von der Technologie zu verstehen, um es mit ihr aufnehmen zu können", so die SÜDDEUTSCHE über die Transmediale.

Ein kontraproduktives Titelbild

Den täglichen "Trumpelpfad" durch die Feuilletons wollen wir beschreiten, weil die Aufregung um den neuen US-Präsidenten eine Facette dazubekommen hat, und die stammt aus Deutschland. Von "Titelblatt-Eskalation" spricht die TAZ, ein "Sturmgeschütz der Angst" beschreibt die SÜDDEUTSCHE und die Neue Zürcher Zeitung nennt das neue Titelbild des SPIEGEL "ziemlich irre". Das heißt, von linksalternativ bis bedächtig- wertkonservativ ist man hier einer Meinung, das kommt recht selten vor.
Das Titelbild? Blut kleckert von Hals und Schlachtermesser, Donald Trump hat soeben der Freiheitsstatue den Kopf abgeschnitten, in IS-Manier - soweit die Karikatur, die der SPIEGEL auf‘s Titelblatt gesetzt und damit zu einem "prominenten journalistischen Statement" (NZZ) gemacht hat. Das geht zu weit, ist kontraproduktiv, meinen mit TAZ, SÜDDEUTSCHER und NZZ gleich mehrere prominente Pressestimmen, und am schärfsten kritisiert die TAZ.
Dabei haben die Kollegen bestimmt keine Lust, den populistischen Präsidenten zu verteidigen, nur: "Taugt eine Gleichsetzung von Donald Trump und dem 'Islamischen Staat'? Erinnern wir uns: Donald Trump lässt zwar weiter Drohnen bomben, will die USA durch physische Grenzen und Zölle abschotten, erlässt ein schändliches Einreiseverbot. Aber das Kopfabschneiden ist eine Domäne des IS. Bisher, könnten Kritiker sagen – aber genau das ist der Punkt. Wie will der SPIEGEL aufmachen, wenn die Lage in den USA weiter eskaliert? Wenn (möglicherweise nach einem Anschlag) Muslime registriert, Moscheen geschlossen werden? Was will der SPIEGEL der Freiheitsstatue dann abschneiden? Ihren Kopf verloren hat sie ja schon. Und der Spiegel seinen offensichtlich auch."
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